Biberbach (Augsburg), SS. Jakobus d. Ä. und Laurentius Zitieren
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Innerhalb einer Leuchtgloriole sitzt Gottvater gemeinsam mit seinem Sohn zu seiner Rechten, über ihnen der Heilige Geist in Gestalt einer Taube und umgeben von Putti mit Fanfaren, einem Lorbeerkranz sowie einem Palmenzweig als Hinweis auf den Opfertod Christi und zur Verkündigung des Sieges Christi über den Tod. Unter ihnen erscheint den auf Erden knienden Erdteilen das Kreuz Christi, getragen von Engeln. Gruppiert um eine Weltkugel, haben Europa und Asia im Vordergrund und Amerika im Hintergrund ihren Blick zur Heiligen Dreifaltigkeit erhoben. Während Europa ihre Hände zum Beten gefaltet hat, werden Asia und Amerika – wie einst Konstantin der Große – durch den Anblick des Kreuzes bekehrt und legen als Ausdruck ihrer neu erwachten „Liebe zu Gott“ – wie dies Cesare Ripa in seiner allegorischen Darstellung Amore verso Iddio vorgibt[1] – ihre rechte Hand auf ihr Herz. Afrika, das erste bekehrte Land,[2] verharrt als einzige Allegorie bereits in tief gebeugter Haltung mit gesenktem Blick.
Haltung, Gestik und Mimik sowohl der Europa- als auch der Asia- und Amerika-Personifikation erinnern an Visionsdarstellungen.[3] Die kniende Haltung, der deutende Gestus und der himmelwärts gerichtete Blick finden sich sowohl bei der Sixtinischen Madonna von Raffael als auch bei der Vision des heiligen Karl Borromäus von Giovanni Francesco Guerrieri als Anzeichen divinatorischen Erlebens. In Variation des Bildtypus können die Hände weniger in einem Deutungs- als in einem Empfangsgestus vom Körper gestreckt sein.
Die missionierte Menschheit präsentiert sich sowohl unifiziert im Glauben an die zentralen Glaubenswahrheiten und im Sprechen des Credo als auch vereint mit der Gemeinschaft der Heiligen und im Schoß der heiligen katholischen Kirche; beides wiederum ebenfalls im Bild durch die Kirchenpatrone und Heiligen Jakobus d. Ä. und Laurentius sowie die Personifikation der Ecclesia oberhalb der Erdteilgruppe visualisiert.
Für weiterführende Informationen siehe auch den Glossarbegriff „Kreuzesvision (Konstantin I.)“
[1] Ripa Iconologia 1611, 21.
[2] Im Norden Afrikas wirkte der Kirchenvater Augustinus bereits im 4. Jahrhundert. Er wurde 354 im numidischen Thagaste (heute: Souk Ahras, Algerien) geboren und ist dort aufgewachsen. Nach seinem Studium in Karthago und einem fünfjährigen Aufenthalt in Mailand kehrte er 388 nach Karthago zurück. 391 gründete er in Hippo das erste Kloster auf afrikanischem Boden, 396 wurde er zum Bischof ernannt. Zeit seines Lebens versuchte Augustinus die durch den Donatistenstreit hervorgerufene Kluft zwischen den christlichen Parteien Afrikas zu schließen. Allerdings ist mit ihm bereits der Höhepunkt der Ausbreitung des Christentums in Afrika markiert; bis ins 7. Jahr-hundert blieb sie noch ungefähr stabil. Nachdem Nordafrika von den Arabern im jihad (Heiliger Krieg) überrannt worden war, war das Ende des christlichen Nordafrikas eingeläutet. Während die christliche Missionierung Europas im 4. Jahrhundert noch ganz am Anfang stand und erst im 7. und 8. Jahrhundert ihrer Vollendung entgegen-schritt, verhielt es sich in Afrika also genau umgekehrt. Vgl. Brown Religion and Society 1972, 238, 240; AK Trier Konstantin 2007, 238–240; Chadwick/Evans Bildatlas 1998, Karten 25, 32 und 35; Scheibelreiter Christentum 2003, 33f., 36–52.
[3] Vgl. hierzu AK Dresden Himmelnder Blick 1998.
Von West nach Ost:
48 Tafelbilder an der Front sowie an der Unterseite der Doppelemporenbrüstung stammen von Johann Kaspar Menradt, vor 1693, und zeigen alttestamentliche Präfigurationen, Embleme sowie die Geschichte der Biberbacher Wallfahrt. Verantwortlich für die Konzeption zeichnet der Bauherr Pfarrer Anton Ginther.
LANGHAUS [B. Riepp, 1753]:
- nördliche Seitenkapelle:
- westliche Wand: der Erbauer der Kirche Pfarrer Anton Ginther (reg. 1679–1725)
- Decke: der Auferstandene mit dem Kreuz als Waage von Erbsünde und Erlösung in Begleitung der christlichen Tugenden Glaube, Liebe, Hoffnung – Inschriftenkartusche: BEATA CUIUS BRACHIIS PRETIUM PEPENDIT SAECULI STATERA FACTA CORPORIS
- nördliche Seitenbilder und auf dem Gesims jeweils Putto Kartuschen mit Szenen aus dem Leben Christi haltend:
- Leichnam Christi vor dem Kreuz flankiert von einem Engel und dem Tod – Inschriftenkartusche: QUA VITA MORTEM PERTULIT
- König David vor dem Gekreuzigten – zwei Inschriftenkartusche: IMPLETA SUNT QUAE CONCINIT DAVID FIDELI CARMINE (westlich) & DICENDO NATIONIBUS: REGNAVIT A LIGNO DEUS (östlich)
- Verherrlichung des Kreuzes durch die Heiligen Andreas, Barbara, Karl Borromäus und Franziskus – Inschriftenkartusche: PIIS ADAUGE GRATIAM
- Mittelbilder:
- Auffindung und Erprobung des Kreuzes durch die heilige Helena
- Erlösung der Welt durch den Kreuzestod Christi – Inschrift: QUAE VULNERATA LANCEAE MUCRONE DIRO, CRIMINUM UT NOS LAVARET SORDIBUS, MANAVIT UNDA ET SANGUINE
- Rettung des Kreuzes Christi aus der Hand der Perser durch Kaiser Heraklius – Inschrift: O CRUX AVE SPES UNICA, IN HAC TRIUMPHI GLORIA
- südliche Seitenbilder und auf dem Gesims jeweils Putto Kartuschen mit Szenen aus dem Leben Christi haltend:
- Auferstehung Christi – Inschriftenkartusche: ET MORTE VITA PROTULIT
- Beweinung Christi – zwei Inschriftenkartusche: ELECTA DIGNO STIPITE TAM SANCTA MEMBRA TANGERE (westlich) und ARBOR DECORA ET FULGIDA ORNATA REGIS PURPURA (östlich)
- Verherrlichung des Kreuzes durch reuige Sünder verkörpert durch den heiligen Petrus, Maria Magdalena, Longinus etc. – Inschriftenkartusche: REISQUE DELE CRIMINA
- südliche Seitenkapelle:
- westliche Wand: Ermordung des Biberbacher Pfarrers Ulrich Zusemschneider 1633
- Decke: Christus als Erlöser im Reich der Toten (Vorhölle) – Inschriftenkartusche: TULITQUE PRAEDAM TARTARI
Chorbogen Uhr mit Inschrift: UNA EX HIS, flankiert von zwei Inschriftenkartuschen:
- nördlich: QUA HORA NONPUTATIS FILIUS HOMINIS VENIET. LUC: 12 V. 40
- südlich: HORA EST JAMNOS DE SOMNO SURGERE ROM: 13. V. 11
Chor [B. Riepp, 1753]:
- Wand:
- nördliche Wand: Wappen der Grafen von Fugger-Kirchberg-Wellenburg-Wasserburg
- südliche Wand: Wappen der Herrschaft Biberbach
- Decke:
- nördliche Chorempore:
- Heilung des Hiskija IV. Eeg. 20. v. 11
- Opfer der Tochter Jiftachs Iud. 11. V. 39
- Traum Josephs Gen. 28. V. 12.
- nördliche Seitenbilder (Grisaille) und darunter auf dem Gesims Putto mit einer Emblem-Kartusche:
- nichts und Engel begießt Pinie – Inschrift: DEUS INCREMENTUM DEDIT.
- Frau mit Kind vor einem brennenden Haus (Feuer) und zweiarmiger Leuchter mit Kreuz in der Mitte – Inschrift: NON SUB MODIO.
- Engel mit Spruchband: TE FONS SALUTIS TRINITAS und Tau fällt auf Gideons Vlies – Inschrift: ROS DE MITI.
- Engel mit Spruchband: QUIBUS CRUCIS VICTORIAM und Sonne über Bergen – Inschrift: EXALTATUS TRAHIT.
- Schiff in stürmischer See, im Vordergrund eine Mühle und ein Leichnam (Wasser) und Opferlamm auf einem Altar – Inschrift: PRO LEGE.
- Mittelbilder:
- musizierende Engel
- Verherrlichung des heiligen Kreuzes durch die Kirchenpatrone und Heiligen Laurentius und Jakobus d. Ä., der ecclesia sowie der vier Erdteile
- König David vor dem Opferlamm - Inschriftenkartusche: DOMINUS REGNAVIT A LIGNO Psalm 92 V. 1
- auf Wolken schwebende Engel – Inschriftenkartusche: CONSUMATUS EST.
- südliche Seitenbilder (Grisaille) und darunter auf dem Gesims Putto mit einer Emblem-Kartusche:
- nichts und Kreuz auf vierpaßförmigem Becken – Inschrift: ASSIDUO MANAT ET SANAT.
- Erdbeben, Tod eines Mannes durch Bergsturz (Erde) und Pelikan opfert sich für seine Jungen – Inschrift: PRO GREGE
- Engel mit Spruchband: COLLAUDET OMNIS SPIRITUS und ein toter Löwe umschwirrt von Bienen – Inschrift: DULCEDO DE FORTI.
- Engel mit Spruchband: LARGIRIS ADDE PRAEMIUM und Palme, darin Kreuz – Inschrift: INCLINATA RESURGO.
- Putto mit Windspiel und Vogel (Luft) und Arche Noah im Wasser - Inschrift: SURGIT SURGENTIBUS UNDIS.
- Südliche Chorempore:
- Moses und die eherne Schlange
- Wasserwunder Moses
- Wolkensäule Moses
- Moses und der brennende Dornbusch
- Opfer Isaaks
- nördliche Chorempore:
Zwar ist die Feder des Programms unbekannt, allerdings hängt es eng mit einer „theologischen Aufarbeitung der Geschehnisse um das Kreuzbildnis durch Pfarrer Anton Ginther“, dem Begründer der Biberbacher Wallfahrt und der 1655 bis 1725 der Kirchengemeinde vorstand, zusammen (vgl. KF 1997, 23). Dieser schrieb in seinem Buch Currus Israel, et auriga ejus, 1717 in Augsburg erschienen, über die Entstehung der Wallfahrt. Im Kontext dieser Erzählung zählt er auch 60 Engel mit den Leidenswerkzeugen sowie 50 Embleme, die auf die Verehrung des Biberbacher Kreuzes verweisen, auf. Im Deckenprogramm finden sich diese zum Teil aufgrund der späteren Realisierung verändert wieder.
Als Vorlage verwendete der Künstler eine Komposition von Gottfried Bernhard Göz wie sie unter anderem im Kupferstich „Verherrlichung Mariens durch die vier Erdteile“ (vor 1754) Verbreitung fand. Mehr Informationen sowie eine Abbildung der Vorzeichnung zum Stich siehe Datenbankeintrag „Erdteilallegorien von Gottfried Bernhard Göz“.
Des Weiteren bestehen auch Verbindungen zu einem heute zerstörten Werk von Johann Georg Bergmüller in der Wallfahrtskirche Heilig Kreuz in Augsburg. Lediglich in einem Nachstich ist das von Bergmüller 1726 bis 1732 gemalte Deckengemälde „…“ zu fassen. Die Gruppe mit Kaiser Heraklius hat Riepp Bergmüllers Komposition entnommen. (vgl. KF 1997, 20).
Zuletzt aktualisiert am: 01.12.2015