Eichstätt (Eichstätt), Schönbornhof Zitieren
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Das runde Mittelrelief der Decke zeigt die Göttin der Weisheit Minerva mit ihren typischen Attributen: Helm, Brustharnisch, Speer und ein Schild mit dem Abbild des Hauptes der Medusa. Sie sitzt auf Wolken und wird von einem Putto am rechten Bildrand begleitet. Um diesen liegen verschiedene Gegenstände – Globus, Buch, Fernrohr und Palette – als Verweis auf ihre Patronanz.
Die vier Erdteile gruppieren sich um diese Darstellung in vier eigenen rechteckigen Relieffeldern. Nicht menschliche Personifikationen, sondern Tiere repräsentieren in Medaillons abgebildet und umgeben von kriegerischen Attributen die einzelnen Erdteile.
In den jeweiligen Ecken des Raumes zwischen den einzelnen Erdteilfeldern sind jeweils in Profilansicht innerhalb von ovalen Lorbeerblättern in umrandeten Medaillons Feldherrn oder Caesarenporträts wiedergegeben. Ihre standardisierte Darstellungsweise mit Lorbeerkranz erlaubt keine nähere Identifizierung.
Gegen Osten befindet sich Europa. Ein mit Blumen geschmückter Stier in Rückbezug auf den antiken Europamythos steht für den „Zivilisiertesten“ aller Kontinente. Schwerter, Helme, Fahnen, Lanzen sind rechts und links des Medaillons zu sehen. Darunter liegt auch ein Vexillum mit dem römischen Signum „S.P.Q.R“ (Senatus Populusque Romanus).
Im Süden schließt Asia, vertreten durch ein Kamel, an. Ein Turban, ein voll bestückter Köcher, Pfeile, Bogen, Lanzen und Fahne sind ihm als typische Attribute beigefügt.
Amerika ist durch ein Krokodil dargestellt. Unter den Trophäen aus Amerika – eine Federkrone sowie mehrere Hellebarden – liegt auch eine Fahne, auf der sich oberhalb des abgelildeten Drachen eine Ritzung mit der Datierung der Stuckaturen befindet.
Den Reigen der vier Erdteile beschließt im Norden der Elefant Afrikas mit seinem Kriegswerkzeug (Säbel, Lanzen bekrönt von Halbmonden und einem Turban).
DECKE
Minerva als Schutzherrin der Künste (Mittelrelief), umgeben von den vier Erdteilen (Seitenreliefs) und vier Caesaren (Eckreliefs)
Wandreliefs zwischen den Fenstern: Vogel von Astwerk hängend als Jagdtrophäen
SUPRAPORTEN
- zwei diskutierende Putti in Begleitung von über einen Helm streitende Vögel [westliches Relief]
- zwei Putti – der eine ruht auf einer Kanone, Fahne und einem Helm, der andere übergibt einem Adler einen Kranz aus Ölzweigen [nördliches Relief]
ERKER
Decke:
- geflügelter Putto lässt Vögel an Bändern fliegen
Wand:
- Jagdhorn [Osten]
- ein toter Rehbock an einem Ast aufgehängt [Westen]
In der jüngsten Künstlermonografie zu den Gebrüder Materno und Augustin Bossi vermutet die Autorin Iris Ch. Visosky-Antrack, dass seit dem Übergang in bischöflichen Besitz Restaurierungen am und im Gebäude „bei jedem folgenden Bischofswechsel 1824/25, 1835, 1846, 1867, 1905, 1932, 1935, 1948, 1968/1970 und 1985“[1] durchgeführt wurden. Meist beschränkten sich die Eingriffe darauf, dass die Räume neu getüncht wurden. Letztmalig wurde dies 1996 gemacht. Der heutige Zustand geht zurück auf die Restaurierung Ende der 1960er-Jahre. Die Stuckierungen wurden damals von „6 übereinanderliegenden Farbfassungen“[2] befreit.
Darüber hinaus hat sich der Raumeindruck des Zimmers mit den vier Erdteilen seit der Fertigstellung durch Materno Bussi insofern geändert, dass zum einen ein Lüster angebracht wurde und im Zuge dessen das Mittelrelief mit der Darstellung der Minerva beschädigt wurde. Zum anderen wurden die vermuteten Spiegelpfeiler im Laufe der Zeit entfernt.[3]
[1] Visosky-Antrack 2000, 141f.
[2] Visosky-Antrack 2000, 142.
[3] Vgl. Visosky-Antrack 2000, 143.
Iris Ch. Visosky-Antrack, die Autorin der rezentesten Künstlermonografie, führt das Dekorationssystem der Stuckdekorationen in den Prunkräumen des Eichstätter Stadtpalais auf das von Bossi in den 1770er-Jahren entwickelte Schema in den Residenzen zu Würzburg und Aub zurück. Die Wiederholung einzelner Formen und Motive in den Relief lassen sie die Arbeiten der Werkstatt von Materno Bossi zuschreiben.[1]
[1] Vgl. Visosky-Antrack 2000, 146f.
Zuletzt aktualisiert am: 01.12.2015