Wemding (Donau-Ries), Maria Brünnlein Zitieren
Auszug aus der Dissertation von Marion Romberg „Die Welt im Dienst der Konfessionen. Erdteilallegorien in Dorfkirchen auf dem Gebiet des Fürstbistums Augsburg im 18. Jahrhundert“ (457f.):
Nicht im einem kleinen Seitenspiegel, wie dies in Bernbeuren und Kranzegg der Fall ist, oder über der Orgelempore platziert, wie in Otting, sondern als zentrales Thema im Langhaus malte Johann Baptist Zimmermann 1754 Maria als fons gratiae. Die Ausarbeitung des Themas erinnert an das Frontispiz zu Friedrich Steill Ephemerides Dominicano-Sacrae (Dillingen 1691): Zum einen wird auch hier auf die Bildtradition des Rosenhags und hortus conclusus explizit über die Umgebung rekurriert,[1] zum anderen wendet sich Europa (links im Bild) wie Kaiser Leopold zum Betrachter beziehungsweise ihrem Gefolge und verweist mit ihrem Zepter auf Maria. Sie sind die Empfänger des heils- und gnadenspendenden Brunnenwassers, dessen Quelle Maria in der Gestalt des Gnadenbildes mit einem roten Gewand und einem blauen Mantel bekleidet ist. Das Wasser strömt über zwei Brunnenschalen und aus einer Öffnung am Sockel des Brunnens in vier Strömen („Paradiesströme“) zu den vier Erdteilen.
Die Darstellung visualisiert das, was sich tagtäglich im Kirchenraum abspielt: Der Gläubige wendet sich aus Liebe und Not an die Gnadenstatue und hofft mithilfe der Fürsprache Mariens an der göttlichen Gnade teilzuhaben. Die Gnadenstatue befindet sich in Wemding im sogenannten Gnaden- und Brunnenaltar, der unterhalb des Chorbogens zentral zwischen Chor und Langhaus aufgestellt ist. Analog zum Deckenfresko steht die Gnadenstatue über der Quelle eines Baches, dessen Wasser aus dem Altar herausfließt und von den Gläubigen in Gefäßen aufgefangen oder an der Rückseite des Altars in einem Wassertrog gesammelt wird. Zahlreiche Votivtafeln sowie zwei erhaltene Mirakelbücher für den Zeitraum von 1730 bis 1789 mit 1385 Berichten und circa 1450 Gebetserhörungen dokumentieren die blühende Wallfahrt zu Unserer Lieben Frau von Wemding.[2]
[1] Vgl. Schiller Ikonographie 4.2/1980, 207f.
[2] KF Wemding o. J., 21.
Komplettes Verzeichnis der in der Dissertation verwendeten Literatur findet sich in der Datenbank unter Bibliografie > Dissertation.
Von West nach Ost:
ORGELEMPORE
- Brüstung: Maria mit Kind, flankiert von zwei Einzelkartuschen mti musizierenden Putti
- unterhalb:
- Elfenbein Turm – Turris Eburnea. cant. 7. – Spruchband: Jungfrau was kan deiner stärcke geringer sein als das Reine, Starcke, Feine Helffenbäin.
- Maria Brünnlein – in me Gratia omnis. Eccli. 24 – Spruchband: niemand ist, der Hilff begehrt, den Maria nit erhärt.
- Bundeslade – Arca Domini. 2. Par. – Spruchband: Die wahre Bunds=lade voll wunder und Gnaden.
LANGHAUS
- nördliche Seitenkapellen:
- Empore:
- Friedenstaube – columba ramum Ferens. Gen. 8 – Spruchband: Diese Taube Fried der welt gebracht und wieder hergestellt.
- Frau mit dem Drachen – Mulier Draconis victrix. apoc. 12. - Spruchband: ver Kriech dich höllen drack, die mutter mit dem Kind schlagt die ganz höll aufs haubt, und über wind die Sünd.
- Tempel Salomons – Templv salomonis 3. Reg. – Spruchband: wust wunder zu erbauen der weise Salomon, was Templ baut für sich, die Weißheit, Gottes Sohn?
- Mond – Pulchr aut luna cant. 9. – Spruchband: Schönster Mond wie glantzst her vor aus den schenen Himels Thor.
- unten:
- Arche des Bundes – Arca Testamenti. Apoc. ii. – Spruchband: die Arch des neuen Testament der Sünder Zueflucht wird genent.
- Himmelspforte – Ianua Caeli Ps. 77 – Spruchband: Wan kein Himels-Thor mehr offen, kast noch disen Einlass hoffen.
- Lilie unter Dornen – Liliam inter spinas cant. 2. – Spruchband: wie die Lilgen unter dorrn, ist Maria Auserkhoren.
- Empore:
- nördliche Seitenbilder (Grisaille):
- Regen über Landschaft, Sonne und Marienmonogramm über Bergen – Fons invocationis. judic: 15: 19 – Spruchband: Die Erd nach disem Wasser schreit, so die Sonn brent der Gerechtigkeit.
- Zwei Putti halten ein Herz hoch und sitzen auf einer Brunnenschale - Fons aquae satientis in vitam aeternam. Ioan. 4. 14. – Spruchband: Dises Wassers kunst erhöbt dorthin wo man ewig lebt.
- verschlossener Brunnen, über den ein Dreieck mit drei Flammen schwebt - Fons signatus. cant: 4.12. - Spruchband: Das Sigl der drey einigkeit den ghaimbnus vollen bron bedeit.
- Maria Immaculata als Brunnenfigur, aus ihrer Brust springt Wasser hervor. – Fons Dravonis. 2. Esfe. 2. – Spruchband: Der höllisch Drackh kriecht hir dar von, und fliecht den hayl- und siges bron.
- Fontäne schießt aus einer Schale, auf der ein Putto mit Kreuz sitzt – Fons Sapientiae. Prov. 18. 14. – Spruchband: Auss disen Geheimnuss vollen bron entspringt die weissheit Gottes Sohn.
- Mittelbilder:
- ??? musizierende Engel
- Sonne auf der Spitze einer Pyramide – Fons Solis. Josue. 15.17. – Spruchband: Der bronn wird hier zum Thron der Lands, und gnaden sonn.
- Maria als Gnadenbrunnen für die Menschheit – Spruchband: In Stillicidiis eius laetabimur. Alle Theill der ganzen Erden, durch mein Gnad Begossen werde (Signatur)
- Kranke an einem Brunnen – Fons Vitae. Psalm: 35: – Spruchband: Diser Gsunt bronn wird geben manichen kranckhen das Leben.
- südliche Seitenbilder:
- zweiturmiges Kirchenmodell – Fons de domo egrediens joel. 18. – Spruchband: Maria ist dass Gottes Hauss, von dem dass welt hayl flisset auss.
- Brunnen mit zwei Putti und Marienmonogramm – Fons Patens. Zachar. 13.1. – Spruchband: Wer soll nit hayl, hier hoffen, der gnaden bronn steht offen.
- Brunnen als Quell von vier Flüssen – Fons Paradysi. Gen: 26. – Spruchband: In alle Welt auf alle weiss strombt diser bronn des Paradeys.
- Christus am Kreuz – Fons Saquinis. Marc: 5. 29 – Spruchband: Das Bluth der Muter, und des Kind in ein Heill Baad zusamen rint.
- Rundtempel – Fons Parvus, crescenst in flucium magnum: Eshei. 10.6 – Spruchband: So Klein der ursprung dises hauss, so grosser Gnaden fluss wird drauss.
- südliche Seitenkapellen:
- Empore:
- Friedensbogen – Signum Foederis. Gen. 9 – Spruchband: wie Offt hat diser Fridens bogen Selbsten Gott zur Gnad bewogen.
- Frau mit der Sonne - Mulier amicta sole. Apoc. 12. 1
- goldenes Haus – Domvs Aurea. – Spruchband: das Hauß, wo gott wohnen soll must seyn von dem reinsten goldt.
- Sonne – Eclecta ut sol. cant: 9 – Spruchband: die Sonn das helle wunder, und Liecht der gantzen welt Ein schaten ist der Mutter, so gott hat auserwählt.
- unten:
- Turm Davids – Turris Davidica. Cant. 4 – Spruchband: daussent schild, und dausent waffen wird dir diser nahm verschaffen.
- Jakobsleiter – Scala Jacob Gen. 48 – Spruchband: wilst in Himmel steigen auf, nach diser Jacobs-Laither lauff.
- Rose – Rosa Mystica. Eccli. 24 – Spruchband: Ein Ghaimnus der natur die Edle Rosen ist, das Ghaimnus aller gnad du, o Maria! bist.
- Empore:
CHOR
- nördliche Seitenkapellen: Morgenstern – Stella Matutina. Eccli. 50 – Spruchband: Finstre Höllen brut weich Fern, es bricht an der Morgensteren.
- Mittelbilder:
- Himmelfahrt Mariens
- Krönung Mariens
- südliche Seitenkapellen: Morgenrot – Spruchband: Aurora Consurgens. Cant. 6 – Spruchband: Auß diser morgen Röth, die gnaden Sonn aufgeht.
1999–2003 umfassende Innen- und Außenrenovierung; aus einer Pressemitteilung des Bistums Eichstätt vom 6. Oktober 2003 (KW 41):
„Statische Mängel und Schäden im Dachstuhl hatten zu Rissen in den Gewölben geführt. Stuckornamente waren abgefallen, wertvolle Fresken hatten sich gelöst. Deckengemälde waren vom Pilz befallen, Seitenaltäre litten unter Schimmel. […] Der Kirchenmaler Rainer Preis zieht Bilanz: ‚Nach der Restaurierung und Renovierung zeigt sich der Innenraum heute wieder annähernd so, wie ihn die Menschen nach seiner Fertigstellung im 18. Jahrhundert erlebt haben.ʻ“
Johann Baptist Zimmermann – einer der führenden Künstler Süddeutschlands und überwiegend im oberbayerischen Raum[1] tätig – war zum Zeitpunkt der Wemdinger Ausmalung mit dem Thema der Erdteilikonografie bestens vertraut. Bis 1754 hatte er es bereits viermal in unterschiedlicher Weise mit christlichen Themen verbunden.[2] Erstmals kombiniert er die Erdteile 1729 in der Sießener Klosterkirche St. Markus mit der Spende des Rosenkranzes an den heiligen Dominikus. Aufbau (Treppe), Haltung (Afrika-Amerika-Rückenansicht), das Miteinander (Europa-Afrika/Amerika)[3] sowie Attribute (Sonnenschirm) erinnern an Bergmüllers Eichstätter Komposition von 1721. Zwei Jahre später wird ihm die Ausmalung der Wallfahrtskirche von Steinhausen durch den Patronatsherrn des Prämonstratenserklosters Schussenried übertragen.
[1] Siehe beispielsweise zu seiner Tätigkeit im Zeitraum der Ausmalung der Günzburger Frauenkirche Ende der 1730er-Jahre Anm. 1076 in der vorliegenden Arbeit.
[2] Wemding war das vorletzte Programm, in dem er die Erdteile verwendete: 1729 Sießen, St. Markus; 1731 Steinhausen, St. Peter und Paul; 1749 Landshut, St. Blasius; 1753 München, St. Peter; und dann ein letztes Mal 1755 Andechs, Prälatenkapelle.
[3] Die Rückenfigur Amerikas oder Afrikas findet sich in allen seinen Kompositionen, mit Ausnahme seiner letzten Umsetzung in Andechs.
Zuletzt aktualisiert am: 03.10.2018