Wien (PB Wien), Gartenpalais Liechtenstein, Bibliothek Zitieren
Die vier Erdteile umgeben das querrechteckige zentrale Thema, die Greifenfahrt Alexander des Großen, und sind darunter in den Ecken vor Nischen der illusionistischen Architektur, die in Richtung Himmelszone geöffnet ist, wiedergegeben. Europa posiert sitzend, eine Krone auf dem Kopf, ein Zepter in ihrer rechten Hand, begleitet von einem Pferd, einem Füllhorn, aus dem Früchte quellen, einem Kanonenrohr mit Kanonenkugel, mehreren Waffen, dazu ein Schild mit der Darstellung eines einköpfigen, bekrönten Adlers, dazu Helm und Fahnenstangen sowie zwei Bücher zu ihren Füßen, und blickt in den Raum hinab. Asien hat auf einem Kamel, dessen Kopf mit Zaumzeug versehen ist, Platz genommen, in ihrer Rechten hält sie ein Gefäß, aus dem Rauch quillt, ihre Linke ist auf einen Schild gestützt. Ihr Haupt wird von einem Turban geschmückt, ein zweiter befindet sich, umgeben von Waffen, Trommeln und Stöcken, einem Schwert mit dem Knauf in Form eines Adlerkopfes, zu ihren Füßen. Im Gegensatz zu Europa wendet Asien den Blick in Richtung Himmelszone, in der die Greifenfahrt Alexanders stattfindet. Die Gewänder der Personifikationen von Europa und Asien sind einander durch die bauschige Drapierung ähnlich, die Mieder zeichnen, vergleichbar mit den Brustteilen antiker Rüstungen, die weiblichen Rundungen nach.
Afrika wird durch einen Elefanten gekennzeichnet, dessen Kopf sich der auf ihm sitzenden Figur zuwendet, wodurch der Elfenbeinzahn prominent sichtbar wird. Die Beine der Dargestellten sind überkreuzt, der Oberkörper nackt und die Brust durch ihren rechten Arm, mit dem sie auf die Perlenketten in ihrer linken Hand hinweist, verdeckt; die beiden Ohrläppchen und das rechte Handgelenk sind ebenso mit Perlen geschmückt, über das Haar ist ein Tuch gelegt und ein Schirm wird verwendet, um vor der Sonne zu schützen. Zu Füßen Afrikas liegen Speere, ein Bogen und ein Köcher mit Pfeilen, rechts ist ein Kanonenrohr wiedergegeben. Auch die Figur der Amerika ist mit entblößter Brust wiedergegeben, auf ihrem Kopf ruht eine Federkrone, sie hält in ihrer Rechten ein Ruder, mit ihrer Linken umfasst sie den Stiel eines durch Federn geschmückten Wedels. Von dem Krokodil, dessen Kopf mit geöffnetem Maul sich von rechts ihr zuwendet, ist links der Schwanz inmitten von einem Arrangement aus einem Schild, einer Fahnenstange, einem Speer auszunehmen. Rechts von Amerika finden sich ein Speer, der durch Stoff eingehüllt wird, und der Kopf eines Adlers, der vermutlich der Knauf einer Waffe ist. Amerika wendet sich wie Asien dem Geschehen in der freskierten Himmelszone zu.
In der Scheinarchitektur befinden sich außerdem in der gleichen Zone wie die Erdteilallegorien vier gemalte Sockel mit Reliefdarstellungen, darüber antikisch anmutende Büsten beziehungsweise Vasen.[1]
Die vier Erdteilallegorien finden sich als begleitende Darstellungen in dem Deckenbereich eines der drei Räume der heutigen Bibliothek. Neben dem Helden Alexander dem Großen werden Aeneas und Jason in bedeutenden Episoden ihres Lebens wiedergegeben, die Bezug zur Persönlichkeit und Tugendhaftigkeit des Auftraggebers, Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein, besitzen. So bringt in einem der Räume Aeneas der Göttin Venus ein Opfer dar, und drei als gemalte Bronzereliefs ausgeführte Szenen geben Aeneas’ Flucht aus Troja wieder; außerdem wird in einem weiteren Raum Jason bei der Übergabe des Goldenen Vließes abgebildet, die begleitenden Episoden stehen wiederum in Zusammenhang mit den Abenteuern des Helden.
Die drei Heroen der Mythologie beziehungweise der antiken Geschichte – Alexander, Aeneas und Jason – fügen sich mit den Deckenfresken der beiden Treppenhäuser mit den Inhalten „Kampf der Giganten gegen die Götter“ (westliches Stiegenhaus) und „Aufnahme des militärischen Genies in den Olymp“ (östliches Stiegenhaus)[2] sowie dem an die Fruchtbarkeit und die Gaben der Natur appellierenden Programm der Sala terrena[3] und den Appartements der Fürstin[4] zu einem Ensemble aus Allegorien, Tugendidealen, Mythologien und Historien, die den humanistischen Anspruch des Fürsten wiederspiegeln.
[1] Unter den beiden Vasen: Odysseus bei der Insel der Sirenen und Odysseus beim Gastmahl des Alkinoos; unter der Büste eines lorbeerbekränzten Feldherren Circe, die die Gefährten des Odysseus in Schweine verwandelt und unter der Büste eines mit einer Toga bekleideten Jünglings die Darstellung eines Zweikampfes.
[2] Die beiden Fresken in den Gewölbezonen der Treppenhäuser wurden Anfang des 19. Jahrhunderts infolge von Wasserschäden durch Stuck und Leinwandgemälde von Antonio Bellucci abgedeckt. Das Wissen darüber ging im Laufe der Zeit verloren und die Werke Rottmayrs wurden erst im Rahmen der 2002 beginnenden Restaurierung des Palais wiederentdeckt, freigelegt und restauriert. Siehe dazu Karner S. 573–577.
[3] Bei den Sujets der Fresken in der Eingangshalle des Gartenpalais handelt es sich um eine Zusammenschau aus antiken Göttergestalten, den Sinnen und den Elementen, Allegorien der Künste und der Natur. Siehe dazu die Beschreibung der Ausstattung bei Hubala 1981, S. 156.
[4] In den Räumlichkeiten, die der Fürstin gewidmet waren, wurden die Zonen der Plafonds mit Darstellungen der Tugenden und Episoden aus dem Leben der Ariadne und der Andromeda durch Rottmayr ausgestattet. Siehe dazu Hubala 1981, S. 153–155.
Mitte: die Greifenfahrt des Alexander des Großen
in den vier Ecken: die vier Erdteile
Die gesamte Freskenausstattung des Gartenpalais Liechtenstein wurde im Rahmen der Revitalisierung des Gebäudes zu einer musealen Einrichtung in den Jahren 2002 bis 2006 restauriert.
Zu dem Auftrag, den Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein dem Maler Johann Michael Rottmayr übertrug, liegen im fürstlichen Archiv einige Dokumente vor. Dadurch lässt sich die Chronologie der Tätigkeiten des Künstlers und manche der Vorgaben des Auftraggebers nachvollziehen.[1] Inwieweit der Künstler oder der Fürst die Initiative zur Aufnahme von Erdteilallegorien in die Ausstattung setzten, kann aus dem vorliegenden Dokumentenmaterial vorläufig nicht entnommen werden.
[1] Hellmut Lorenz bezweifelt das Vorliegen eines stringenten Programmes, das der Gesamtausstattung des Palais durch Rottmayr zugrunde lag. Siehe dazu Lorenz 1989, S. 19.
Der Vertrag zur Ausstattung der Räume in Erdgeschoss wurde am 30. Oktober 1705 geschlossen.[1]
Als Vorlage dienten Johann Michael Rottmayr vermutlich die zur Zeit um 1700 bekannten Darstellungen der Erdteilallegorien. Diese sind durch ihre Attribute eindeutig zuordenbar und folgen den Vorgaben von Cesare Ripas Iconologia.
[1] Siehe dazu den bei Karner 2007, S. 573 wiedergegebenen Vertragstext.
Zuletzt aktualisiert am: 17.06.2016