Weerberg (PB Schwaz), SS. Peter und Paul Zitieren
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Der Innenraum der alten Pfarrkirche von Weerberg wird heute von der mächtigen Vierungskuppel dominiert. Dieser Eindruck geht nicht zuletzt auf die Entfernung eines Teiles des ursprünglichen Langhauses im 19. Jahrhundert zurück. Lediglich ein schmales Joch blieb bestehen, das heute eher den Charakter einer Vorhalle hat.
Die Mitte der vollflächig freskierten Kuppel nimmt das große querovale Gemälde ein, das die Übergabe der Schlüssel der Kirche durch Jesus an den Apostel Petrus zeigt. Im Zentrum der Komposition kniet Petrus vor Jesus und empfängt aus dessen Hand die zwei gekreuzten Schlüssel aus Gold und Silber, wie sie auch auf den päpstlichen Wappen zu finden sind. Jesus weist dabei mit der linken Hand auf einen im unmittelbaren Hintergrund auf einem steilen Felsen stehenden Kapellenbau. Zur Linken schweben Engel und Putti mit Palmzweigen, zur Rechten schleudert der Erzengel Michael, Beschützer der Kirche, seine Blitze gegen die Allegorien der Laster und des Bösen. Die gezackten Blitzstrahlen, die aus seiner rechten Hand und seinem Schild niederzucken, umgeben dabei die zentrale Szene der Schlüsselübergabe wie ein schützender Schirm. Die getroffenen Allegorien des Lasters, des Heidentums, der Ketzerei, des Unglaubens sowie Dämonen in Drachen- und Schlangengestalt stürzen über die niedrige Balustrade der Scheinarchitektur ins Kircheninnere.
Versinnbildlicht werden hier die Bibelverse Mt 16, 18–19, die in lateinischer Sprache auf den vier, das Deckengemälde umgebenden Inschriftenkartuschen angeführt sind: „Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreiches geben.“
Zu beiden Seiten dieser Szene knien und sitzen die Allegorien der vier Erdteile: Europa und Asien etwas im Vordergrund, Afrika und Amerika etwas nach hinten versetzt. Europa ist als Fürstin in goldenem Mantel dargestellt, auf ihrem Kopf trägt sie sowohl eine Reifen- als auch eine Mitrenkrone. Zu ihren Füßen liegen als Attribute weltlicher und geistlicher Macht Tiara, Papstkreuz und Zackenkrone. Ihr gegenüber sitzt die Allegorie Asiens, ihre bloßen Füße scheinen ins Kuppelinnere zu hängen. Auch sie ist reich gekleidet, auf dem Haupt trägt sie einen goldenen Kopfschmuck, den ein großer liegender Halbmond ziert – ein Verweis auf Asien als Erdteil des Islam. In Händen hält sie einen goldenen Streitkolben, den sie in einer demutsvollen Geste darbietet. Damit wird sie als bekehrter Erdteil und überwundener Feind kenntlich. Unmittelbar hinter ihr liegt als Attribut ein bunter Turban, der ebenfalls mit einem goldenen Halbmond versehen ist.
Im Rücken Europas ist das mächtige Halbrund einer blauen Weltkugel zu sehen, hinter der die Allegorie Afrikas in andächtiger Gebetsstellung verharrt. Die Hände sind gefaltet, ihr Blick ist zu Boden gerichtet. Afrika ist als barbarische Fürstin dargestellt. Ihre Haut ist dunkel, der Oberkörper ist unbekleidet, über die Schultern fällt ein weiter gestreifter Umhang, der durch zwei Knoten gehalten wird, um die Hüften hat sie einen mit Federn besetzten Schurz. Ihre Kopfbedeckung ist ein Turban mit prächtigem Federschmuck, Perlen zieren ihre Ohren und Handgelenke, ein Federarmband umschließt ihren Oberarm. Als Afrika zu identifizieren ist sie vor allem durch den Elefanten, dessen mächtiger Schädel sichtbar und der ein oft gebrauchtes Attribut Afrikas ist.
Auf der gegenüberliegenden Bildseite kniet Amerika hinter Asien, neben der Wölbung einer zweiten Weltkugel. Wie Afrika tritt sie als dunkelhäutige Fürstin in Umhang, Federrock und federgeschmücktem Turban auf. Perlenketten zieren Hals und Handgelenke, in ihren erhobenen Händen hält sie ein großes goldenes Räucherfass. Hinter ihr kniet betend eine ähnlich gekleidete, etwas kleinere Figur. Diese stützt ihre gefalteten Hände auf den Rücken eines großen Krokodils, das sich mit grimmigem Blick über die gemalte Brüstung zu wälzen scheint. Dieses Tierattribut identifiziert die beiden Figuren eindeutig als Allegorie Amerikas.
Im Hintergrund sind links wie rechts dichte Palmenwälder zu sehen. Damit erfährt der Gegensatz zwischen den reichen zivilisierten Erdteilen Europa und Afrika, die im Bildvordergrund in direktem Zusammenhang mit der Scheinarchitektur zu sehen sind, und den beiden „wilden“ und naturhaft gedachten Erdteilen Afrika und Amerika eine subtile Verstärkung.
HAUPTSCHIFF
zentrales Fresko: Verklärung Jesu am Berg Tabor
Zwickel: Gregor der Große, Augustinus
VIERUNG
- Kuppelfresko: Schlüsselübergabe an Petrus, verehrt von den vier Erdteilen
- Pendentifs: Petrus und Paulus im Kerker, Kreuzigung Petri, Petrus und Christus, Enthauptung des Paulus
QUERSCHIFF
- links:
- zentrales Fresko: heilige Theresa von Ávila
- Zwickel: heilige Notburga von Rattenberg, heilige Ursula von Köln
- rechts:
- zentrales Fresko: Vermählung von Maria und Joseph
- Zwickel: heiliger Jakobus der Jüngere, heiliger Joachim
CHOR
- zentrales Fresko: Abendmahl
- Zwickel: Fusswaschung, Auferstehung
APSIS
- zentrales Fresko: Lamm Gottes
- Zwickel: Austeilung des heiligen Mahles, Christus als Hirte
Das Sujet der vier Erdteile mit Weltkugel in anbetender Haltung ist weitverbreitet. Details wie die Körperhaltungen Europas, Afrikas und Amerikas oder der gestreifte Mantel Afrikas und das weit zurückgeschobene Krönlein der Europa erinnern an Darstellungen von Gottfried Bernhard Göz, die als Kupferstiche große Verbreitung fanden. Zu verweisen ist beispielsweise auf eine undatierte Zeichnung im Bestand der Hamburger Kunsthalle und auf einen Stich, der die Verherrlichung der Eucharistie durch die vier Erdteile darstellt. Eine sehr ähnliche Darstellung der Erdteile fertigte Jais im Folgejahr in der Kirche St. Nikolaus in Dormitz an.
Zuletzt aktualisiert am: 17.06.2016