Herbertshofen (Augsburg), St. Clemens Zitieren
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Am Himmelsfirmament erscheint die Allegorie des Glaubens in einer goldenen Biga, die mit den vier Evangelistensymbolen (Mensch, Stier, Löwe und Adler) verziert ist. Über ihr fliegt der Heilige Geist in Gestalt einer Taube. Zu ihrer Linken hält ihr ein Engel in Rückenansicht ein offenes Buch entgegen. In der einen Hand hält sie ein Kreuz, mit der anderen streckt sie die Monstranz mit der Hostie empor. Der Sonne gleich entsendet diese ihre segnungsreichen Strahlen auf die Menschheit unter ihr auf der Erde nieder. Gleichzeitig verwandeln sich aber diese Strahlen im Angesicht der Anwesenheit von Anhänger des Irrglaubens, Unglaubens und Ketzerei (rechts im Bild) in Blitze. Begleitet wird sie am oberen linken Bildrand von den drei göttlichen Tugenden Glaube, Liebe und Hoffnung.
Auf Erden haben sich in einer grünen Landschaft links der zentral platzierten Weltkugel die vier Repräsentanten der Völker aller Erde und rechts die Personifikationen des Unglaubens, Irrglaubens und der Ketzerei versammelt. Zuvorderst kniet Europa. Sie ist in ein wallendes Kleid und einen Umhang gekleidet, dessen Schleppe von zwei Pagen getragen wird. Auf ihrem Kopf trägt Europa eine Mauerkrone, eine Reminiszenz antiker Stadtpersonifikationen wie der Roma und Vorläufer der Europaallegorie. Vor ihr, auf einem roten Kissen, ruhen die Insignien weltlicher und geistlicher Herrschaft: eine Krone, ein Kurfürstenhut, die päpstliche Tiara und ein Szepter.
Direkt hinter ihr stehen die anderen drei Erdteile, die alle, außer Amerika, in Begleitung kommen. Asien wird durch zwei Vertreter und einen Pagen repräsentiert. Beide sind männlich, von muskulöser Statur und tragen neben Bärten wallende Gewänder und Mäntel sowie Turbane, von denen einer mit einem goldenen Halbmond geschmückt ist. In der Haltung unterscheiden sie sich: Während der vordere auf die Knie gesunken ist und sich ehrfurchtsvoll verneigt, steht der andere hinter ihm aufrecht und ist als einziger nicht von der eucharistischen Präsenz am Himmel gebannt, sondern wendet sich distinktiv ab und zum Betrachter hin, indem er dessen Blick sucht.
Im Gegensatz zu den reich gekleideten Vertretern des Westens und Ostens werden die Bewohner Afrikas und Amerikas zwar mit bloßem Oberkörper und halbfigurig dargestellt, allerdings genauso in ekstatischer Verzückung mit himmelndem Blick und den Händen fest auf das Herz als Ausdruck ihrer entflammten Liebe gedrückt. Amerika als nächster in der Reihe zeigt sich mit Federn auf Kopf und am Oberarm sowie einem Köcher voller Pfeile. Afrika, die zweite weibliche Vertreterin neben Europa, kontrastiert durch ihre schwarze Hautfarbe sowie ihren fantastischen Kopfschmuck (eine mit Perlen verzierter Elefantenexuvie). Ein grüner Umhang wird durch ein diagonal über ihre Brust verlaufendes Band gehalten, und ein Page hält einen großen roten Sonnenschirm über sie.
Dieser Gemeinschaft der Gläubigen (mit Ausnahme eines der Asiaten) stehen am rechten Bildrand die drei Vertreter des Unglaubens, der Ketzerei und des Irrglaubens, kurz des Protestantismus gegenüber. Zu erkennen sind sie als eigentliche Vertreter des protestantischen Glaubens an ihrer schwarzen Kleidung mit einem weißen Kragen und den Büchern. Alle drei werden auf dem Kopf und an den Händen von Blitzen der Eucharistie getroffen und purzeln aus dem Bild. Hinter ihnen erstrahlt ebenso hell wie das allerheiligste Altarsakrament auf einem Berg das Haus Gottes, ein Zentralbau.
Von West nach Ost:
LANGHAUS
- Wand:
- Kreuzwegstationen und Apostel
- nördlich: Christus am Kreuz
- südlich: Pieta
- Decke:
- nördliche Seitenbilder: heiliger Clemens als Missionar des Volkes
- Mittelbilder:
- Verherrlichung des heiligen Clemens durch Kranke und Leidende
- Martyrium des heiligen Clemens
- das Wasserwunder
- südliche Seitenbilder: heiliger Clemens als Lehrer des Volkes
CHOR
Verherrlichung der Eucharistie durch die vier Erdteile
1819 Innen- und Außenrenovierung
umfassende Innenrenovierung der Kirche unter Pfarrer Joseph Baumüller (reg. 1850–1884):
- 1851 Innenrenovierung der Fresken, der 15 Kreuzwegstationen und der 12 Apostelbilder durch den Augsburger Fassmaler Mechior Thony und dem Historienmaler Liberat Hundertpfund
- 1854 neue Seitenaltäre von Georg Schwarz (Augsburg) für die von Bergmüllers Vorgänger Josef Kurz neu angeschafften Altarbilder von J. Baptist Müller aus München, der auch das Hochaltarblatt ersetzt hatte
- neue Glasfenster von Hundertpfund
- 1855 und 1885 zweimalige Vergrößerung der Sakristei
1908/1909 teilweise Entfernung der Umgestaltung aus dem 19. Jahrhundert (Wiederherstellung der Fresken, Entfernung der bunten Glasfenster, Neugestaltung und Stuckierung der Emporenbrüstung von Carl Port, Augsburg) und Einbau einer neuen Orgel unter Pfarrer Franz Josef Dillmann (reg. 1894–1925)
1958/1959 Innenrenovierung unter Pfarrer Peter Paul Metz (reg. 1957–1984) – weitestgehende Wiederherstellung des barocken Ausstattungskonzeptes unter Leitung von Georg Hatzelmann (Augsburg) und Ernst Giebel (Schwabmünchen)
1982 Außenrenovierung
1984 Innenrenovierung: Reinigung und Konservierung der Fresken
Historische Aufnahmen im BKA Marburg:
1957
- http://www.bildindex.de/bilder/d/mi07260e11
- http://www.bildindex.de/bilder/d/mi07260e12
- http://www.bildindex.de/bilder/d/mi07260e14
- http://www.bildindex.de/bilder/d/mi07260e13
1972
- http://www.bildindex.de/bilder/d/mi07260e06
- http://www.bildindex.de/bilder/d/mi07260e08
- http://www.bildindex.de/bilder/d/mi07260e10
1982
Eine Vorzeichnung mit einem engmaschigen Quadraturnetz zum Hauptbild im Langhaus hat sich im Bestand des Ulmer Museums unter der Inv. 141 erhalten. Johann Baptist Enderle kopierte in dieser ein Entwurf Franz Martin Kuens, der sich ebenfalls in der Ulmer Sammlung befindet.[1]
[1] Vgl. Dasser 1970, 116.
Die Gruppen der Erdteilallegorien sowie der Protestanten im Chorfresko beruhen auf Eigenzitat (Kirchdorf 1753), die wiederum stark von Enderles Lehrer Kuen (Fischach 1753) inspieriert wurden (s. ausführlich Zuschreibungsdebatte). Die Gruppe der christlichen Tugenden oben links im Chorfresko ist dagegen einer Radierung von der Hand Domenico Tiepolos entnommen, der hier das Gemälde Triumph der Virtus und Fortitudo seines Vaters Giovanni Battista Tiepolo (heute Sammlung Contini Bonacossi in Florenz) vervielfältigt hatte.[1]
[1] Vgl. Dasser 1970, 84 Anm. 39.
Auszug aus der Dissertation von Marion Romberg „Die Welt im Dienst der Konfessionen. Erdteilallegorien in Dorfkirchen auf dem Gebiet des Fürstbistums Augsburg im 18. Jahrhundert“ (269f.):
Der Dehio Schwaben von 2008 schreibt das Herbertshofener Chorfresko (Franz Martin Kuen zu – zu einem Zeitpunkt, an dem bereits die Mehrheit der Forschung davon ausgeht, dass Enderle nicht nur das von ihm signierte Langhausfresko, sondern ebenfalls das Chorfresko malte.[1]
Entbrannt hatte sich die Diskussion an der eigentümlichen Fortschrittlichkeit des Freskos in Bezug auf seine Komposition, die zu Enderle, der am Anfang seiner selbstständigen Tätigkeit stand, keineswegs passe.[2] Weiteren „Zündstoff“ erhielt die Diskussion durch einen Entwurf für das Langhausfresko von Herbertshofen und eine dazugehörige Zeichnung im Besitz des Ulmer Museums.[3] Während der Entwurf als Vorlage für den Auftraggeber fungiert haben mag, diente die Zeichnung, die ein engmaschiges Quadraturnetz aufweist, als Arbeitsvorlage für die Übertragung der Komposition auf die Langhausdecke. Die Zuschreibung[4] des Entwurfs an Franz Martin Kuen veranlasste den Autor von Enderles Künstlermonografie, Karl Ludwig Dasser, 1970 dazu, in Enderle den „ausführenden Meister“ des Langhausfreskos zu sehen, dem die Zeichnung zuzuweisen sei. Er vermutet, dass
„Kuen in den Jahren 1753/1754 reichlich mit Aufträgen bedacht [gewesen sei]. Vielleicht hatte er [Kuen] sich um Herbertshofen beworben und wegen Zeitmangel den Auftrag seinem früheren Mitarbeiter [Enderle] überlassen, der, eben erst selbständig geworden, nach Aufträgen Ausschau hielt.“[5]
Dasser resümiert, dass die weitere Ausmalung (inkl. des Chorfreskos) Enderle „nach eigenen Ideen und kopierten Vorlagen“ ausgeführt habe. So gehe die Gruppe der christlichen Tugenden auf eine Radierung von Giovanni Domenico Tiepolo nach dem Gemälde Triumph der Virtus und Fortitudo[6] seines Vaters Giambattista zurück.[7]
Dieser Schlussfolgerung widerspricht 2002 Georg Paula in seiner Rezension der Donauwörther Ausstellung von 1998 unter Betonung der erwähnten Fortschrittlichkeit des Chorfreskos sowie der Schwierigkeit in der tiepolesken Ausführung auf Basis einer mittelbaren Kenntnis von Tiepolos Arbeiten.[8] Diese unbewiesene Einschätzung Paulas, auf der auch die Zuschreibung im Dehio beruhen dürfte, bedarf aber wiederum einer kritischen Betrachtung.
Ein Vergleich der um 1753/54 entstandenen Erdteilallegorien Kuens und Enderles ergibt auffallende Gemeinsamkeiten zugunsten des Jüngeren, da die Herbertshofener Erdteilallegorien in der direkten Nachfolge von Enderles Kirchdorfer Erdteilallegorien zu sehen sind. Ausgehend von diesem komparativen Überblick ist Paula zu widersprechen, der von einer ausschließlichen Ausführung des Chorfreskos durch Kuen ausgeht. [9] Vielmehr ist Karl Ludwig Dasser zu folgen, da die Figurentypen in der irdischen Szene der Erdteile sich nahtlos in Enderles bildnerische Umsetzung der Ikonografie in den Kirchen von Kirchdorf (1753) und Sontheim (1757) einfügen.
Ort |
Europa |
Asia |
Africa |
America |
Protestanten |
Fischach |
detailliertere Dekoration der Kleidung (Blumenmuster, Hermelinkragen); Mauerkrone auf braunem Haar, gebeugte Haltung |
„europäischer“ jugendlicher Asiate (bartlos, milchig-weiche Haut, korpulentere Statur) |
„kindliche“ Afrika (braune Haut, schmucklose Elefantenexuvie, zierliche Statur, unbekleidet) |
„knabenhafte“ Amerika (weiche Gesichtszüge, kleine, reduzierte Federkrone, runde Gestalt, keine weiteren Attribute) |
zwei aus dem Bild purzelnde Protestanten, nur einer wird an der Hand von einem Blitz getroffen |
Kirchdorf |
Übereinstimmung in der Haltung mit Fischach, allerdings: raumgreifende Gestaltung durch wallende Gewänder in der Art Tiepolos, Mauerkrone auf blondem Haar |
„türkischer“ Asiate (Mongolenbart, hagere Gesichtszüge, von hoher schlanker Gestalt) |
„negroide“ Afrika (schwarze Hautfarbe, kräftige Gestalt, grüner Mantel, Perlenschmuck, reich verzierte Elefantenexuvie) in der Tradition von Matthäus Günther (Aich 1734, Rottenbuch 1737, Altdorf 1748); vmtl. Vermittlung über Anton Enderles Fresko in St. Peter zu Tapfheim 1750 (dessen Vorbild das Fresko von Johann Georg Wolcker in Deubach 1740 darstellt) – Veränderung der Handhaltung |
„jugendliche“ Amerika (kantige Gesichtszüge, schlanke Gestalt, buschige Federkrone, rötliches Inkarnat, Köcher mit Pfeilen auf dem Rücken) |
drei Protestanten, ebenfalls aus dem Bild purzelnd, aber jeder Einzelne direkt von Blitzen getroffen (Kopf und Hand) |
Herbertshofen J. B. Enderle, 1754 Eucharistie |
in der Tradition von Kirchdorf |
in der Tradition von Kirchdorf; allerdings Botschaft konfessionelle Ausgrenzung |
Kopie von Kirchdorf, ergänzt um einen Sonnenschirm und einen Pagen |
in der Tradition von Kirchdorf |
getreue Übernahme von Kirchdorf |
Seekirch F. M. Kuen, 1756 Marienmono-gramm |
in der Tradition von Fischach unter Einfluss von Göz-Stich |
nicht vorhanden |
|||
Sontheim |
Fortsetzung von Kirchdorf und Herberstshofen |
in der Tradition von Kirchdorf und Herbertshofen, allerdings Haltung unter Einfluss von Göz |
getreue Nachahmung von Anton Enderles Tapfheimer Afrika |
in der Tradition von Kirchdorf und Herberthofen, allerdings Einfluss von Göz |
nicht vorhanden |
Letztlich kann es auch sein, dass Enderle nicht über Kuen, sondern den Generalunternehmer Johann Adam Dossenberger engagiert wurde. Denn mit diesem verband Enderle eine jahrelange Freundschaft, sodass er laut Reinhard Seitz fast zum „Dossenberger’schen Familienbetrieb“[10] zu zählen sei. Denn beginnend mit der Pfarrkirche in Hochwang 1751/1752 über Herbertshofen 1754 bis zur Weldener Votivkirche St. Thekla 1758/59 arbeiteten Dossenberger und Enderle immer wieder zusammen.
[1] Paula Anmerkungen 2002, 468 und Dehio Bayern 3/2008, 455 widersprechen Dasser Enderle 1970, 19f. und 115; KIV Wertingen 1973, 115; Gump Herbertshofen 1983, 3f.; Kaiser/Meder Herbertshofen 1991, 5.
[2] Vgl. Dasser Enderle 1970, 19; Paula Anmerkungen 2002, 468.
[3] Auf deren Existenz wies bereits Weser Enderle 1917, 39f. hin.
[4] Zur Zuschreibung siehe Dasser Enderle 1970, 19f.; AK Donauwörth Enderle 1998, 55–57 (inkl. Abb.). Matthias Kunze widerspricht Dasser, indem er bereits den Entwurf aufgrund seiner fehlenden zeichnerischen Kompaktheit – einem typischen Charakteristikum von Kuens Formgebung – Enderle zuschreibt. Vgl. Tacke Herbst des Barock 1998, 143f. und Anm. 28.
[5] Dasser Enderle 1970, 20.
[6] Befindet sich heute in der Sammlung Contini Bonacossi in Florenz.
[7] Vgl. Dasser Enderle 1970, 84 Anm. 39.
[8] Vgl. Paula Anmerkungen 2002, 468f.
[9] Paula geht davon aus, dass Kuen die restliche Ausstattung nach Vollendung des Chorfreskos an Enderle übergeben habe. Vgl. Paula Anmerkungen 2002, 469.
[10] Seitz 2001, 404.
Komplettes Verzeichnis der in der Dissertation verwendeten Literatur findet sich in der Datenbank unter Bibliografie > Dissertation.
Zuletzt aktualisiert am: 06.07.2018