Dinkelscherben (Augsburg), St. Anna Zitieren
Auszug aus der Dissertation von Marion Romberg „Die Welt im Dienst der Konfessionen. Erdteilallegorien in Dorfkirchen auf dem Gebiet des Fürstbistums Augsburg im 18. Jahrhundert“ (434f.):
Im Dinkelscherbener Chorfresko, 1770/71 von Joseph Christ gemalt, wird die Himmelszone durch drei Frauengestalten dominiert (Abb. VIII-68). Auf Wolken sitzend, huldigen die vier Erdteile auf Erden zum einen den drei christlichen Tugenden von links nach rechts: Hoffnung (Anker), Liebe (Kind) und Glaube (Buch, Kreuz, Monstranz); zum anderen (aufgrund der zentralen Positionierung) auch der Eucharistie und (aufgrund der räumlichen Dominanz) der Fides-Personifikation sowie den beiden unerwähnten Attributen (Tiara, Tempietto) der Ekklesia.
Das im Mittelalter weitverbreitete Gegensatzpaar Ecclesia und Synagoge beschränkte sich in der neuzeitlichen christlichen Kunst auf den Bereich der Karikatur, deren Ziel die Diffamierung der jeweilig konkurrierenden Konfession („typus haereticae Synagogae“) war.[1] Weitaus häufiger ist jedoch die Ekklesia ohne ihren Gegenpart zu finden. Hierzu verschmolz sie mit der Zeit – ausgehend von den romanischen Ländern – mit der Personifikation des Glaubens.[2] Als das Sinnbild für die triumphierende Kirche in der Gegenreformation fällt ihr auch zugleich die Aufgabe zu, die Eucharistie zu bewahren. Bildlich wird dies wie in Dinkelscherben durch Lichtregie, Positionierung, Größe oder auch durch einen Triumphwagen in Szene gesetzt. Prägnante Beispiele zu Letzterem finden sich auch in den Kirchen zu Fischach und Kirchdorf, die zwar dem Missionstypus zuzurechnen sind, aber nichtsdestotrotz die Botschaft der universalen kirchlichen Macht, durch den „Triumph über die Bekehrung von Ketzern und die Rückgewinnung von protestantischen Gebieten“[3], transportiert. In Dinkelscherben dagegen ist die Botschaft eindeutig in der triumphierenden Himmelsszene eingefangen: Die in Weiß-Blau gekleidete Ekklesia lehnt, auf Wolken gebettet, an einem Rundbau. Während in ihrer linken Hand ein offenes Buch mit der Inschrift „OFFICIVM DIVI:NVM“ liegt, hält sie mit ihrer rechten eine goldene Monstranz empor. Es begleiten sie nicht nur Engel und Putti, sondern (links im Bild zu sehen) auch die Personifikationen der Hoffnung und der Liebe.
Die Inschrift verweist auf den Auftrag Jesu, „dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten“ (Lk 18,1), was in der Liturgie im Stundengebet, dem sogenannten officium divinum, Ausdruck fand.
[1] Vgl. RDK Ekklesia und Synagoge 4/1957, 1189–1215.
[2] Vgl. Knipping Counter Reformation 2/1940; RDK Ekklesia und Synagoge 4/1957, 1189–1215; Schiller Ikonographie 4.1/1976, 107 Anm. 154; LCI Ekklesia und Synagoge 1994, 577.
[3] Schiller Ikonographie 4.1/1976, 108.
Komplettes Verzeichnis der in der Dissertation verwendeten Literatur findet sich in der Datenbank unter Bibliografie > Dissertation.
Von West nach Ost:
ORGELEMPORENBRÜSTUNG (von links nach rechts):
- obere:
- Moses mit den Gesetzestafeln
- Musikinstrumente (um 1900)
- heilige Cäcilia
- Musikinstrumente (um 1900)
- Vertreibung der Händler aus dem Tempel
- untere
- Heimsuchung
- Tempelgang Mariens
- Unterweisung Mariens im Lesen durch die heilige Anna
- Verheißung an Anna
- heiliger Josef als Brautwerber
CHORBOGEN
Wappen des Augsburger Domkapitel
LANGHAUS
- nördliche Seitenbilder – Embleme:
- Puttenkopf mit Posaune – Inschrift: Zum Aufwekhen..
- Widder hinter einem Busch [Gn 22, 13] – Inschrift: Erlöster Isacc.
- Morgenstern – Inschrift: Vertribne Nacht.
- Regenbogen (Gn 9, 13) über Ortsansicht von Dinkelscherben – Inschrift: Fridens Zeichen.
- Mittelbild:
- zwölfjähriger Jesus im Tempel
- Darbringung im Tempel
- Geburt Christi
- Verkündigung Mariä
- südliche Seitenbilder:
- Sonne – Inschrift: Durchtringender Shein.
- Opferung eines Stiers auf dem Altar – Inschrift: Liecht nach Shatten.
- Thron mit Aufschrift: „DAVID R.“ an seiner Stirnseite, auf dem Polster Szepter und Krone – Inschrift: Erfilte Hoffnung.
- Arche Noah im Wasser und Taube mit Ölzweig (Gn 8, 11) – Inschrift: Sichere Zuflucht.
CHOR
- nördliche Seitenbilder:
- Ev. Johannes – Inschrift im geöffneten Buch: EVANGELIVM SECVNDVM
- Lamm auf Buch mit sieben Siegeln und einem Kreuz liegend [Apc. 5,7]
- Evangelist Matthäus
- Mittelbild: Verherrlichung des allerheiligsten Altarsakraments und der christlichen Tugenden durch die vier Erdteile [Signatur] – Inschrift auf geöffnetem Buch: OFFICIVM DIVI:NVM
- südliche Seitenbilder:
- Evangelist Lukas
- Schaubrote, Räuchergefässe und Gesetzestafeln auf einem Tisch [EX 25,23]
- Evangelist Markus
Zuletzt aktualisiert am: 23.05.2016