Grins (PB Landeck), St. Nikolaus Zitieren
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Das Fresko der ersten Langhauskuppel zeigt die Verehrung der Ekklesia durch die vier Erdteile. Perspektivisch auf die in das Langhaus tretenden Besucher ausgerichtet strebt illusionistische Architektur nach oben, die flache Kuppel scheinbar um ein Stockwerk verlängernd. Eine Kassettenkuppel öffnet sich zum Himmel, in dem die Ekklesia umgeben von Engeln auf einer Wolkenbank steht.
Unterhalb der Ekklesia, auf einem erhöhten Stufenpodest, ruht eine große Weltkugel. Im Rund der Scheinarchitektur verteilt sind die Allegorien der vier Erdteile angeordnet, alle begleitet von Dienern und Tieren. In erhöhter Position, nächst dem Globus Europa, etwas unterhalb ihr gegenüber Asien, auf den Außenseiten links Afrika, rechts Amerika.
Die Europaallegorie tritt im Ornat einer Herrscherin auf. Hinter ihr hält ein Diener einen Schimmel, das klassische Tierattribut Europas, am Zaum. Zwei Pagen tragen die Schleppe ihres goldenen Mantels, in dessen weiten Falten Kaiserkrone, Tiara, Kardinalshut und Mitra liegen. Zu ihren Füßen leeren zwei Männer ein Füllhorn voller Früchte aus. In prominenter Position, mittig am Rande des Freskos, sitzt der Doppeladler, in seinen Klauen Reichsschwert und Reichsadler.
Europa gegenüber, auf der anderen Seite des Globus, kniet die Personifikation Asiens auf den Stufen. Auf ihrem Kopf sitzt ein großer, reich geschmückter Turban mit goldenem Halbmond. Ihre Schultern werden von einem hermelingefütterten Mantel umhüllt. Sie bietet Ekkesia eine Kiste voller Münzen an. Ein Diener hält einen Sonnenschirm über ihr Haupt, im Hintergrund führt ein zweiter Diener ein Dromedar heran.
Afrika und ihr Hofstaat schließen sich links an Europa an. Afrika trägt ein goldenes Krönlein mit Kreuz, in Händen hält sie eine Muschelschale voll weißer Perlen. Weitere Schätze türmen sich zu ihren Füßen oder werden von ihren Begleitern getragen. Bemerkenswert die Menagerie: Ein Elefant im Hintergrund ist schwer mit Ballen bepackt, der originell gestaltete Schädel weist eine kreuzförmige Verschnürung der Ohren auf und ein zusätzliches Paar Nasenlöcher(!) am Ansatz des Rüssels. Vorne liegt ein großer Löwe auf den Stufen.
Ganz rechts ist die Amerikagruppe zu sehen. Reich geschmückt mit einer zierlichen Krone, einer breiten goldenen Schärpe und üppigen Perlenketten. Ihre halbnackt, mit Feder auf dem Kopf dargestellten Diener und Dienerinnen tragen Gefäße voller Korallen, große Warenballen verweisen auf die Bedeutung der Handels mit der Neuen Welt. Unterhalb der Gruppe schleppt sich ein Korokodil über die Stufen, im Hintergrund ist ein weiteres Dromedar zu sehen. (Amerika. Haltung Zepter gegen Kopf: Siehe auch Mering!)
Deutlich ist die hierarchische Ordnung der Erdteile. Europa nimmt räumlich den zentralsten und höchsten Platz ein. An zweiter Stelle steht Asien, Amerika und Afrika verschob der Künstler beide an den Rand. In der gedachten „Mitte der Welt“ stehen also Europa und Asien, die „barbarischen“ Weltteile Amerika und Afrika sind Peripherien. Gleichzeitig findet sich bei allen vier Allegorien das Motiv des Überflusses, der in Kleidung und sonstigen Attributen Ausdruck findet. Lediglich bei Europa tritt noch das Motiv der Herrschaft hinzu, das die entsprechenden Insignien und der Doppeladler versinnbildlichen.
Deckenfresken, von West nach Ost:
- 1. Langhauskuppel:
- Mittelspiegel: die vier Erdteile huldigen Ekklesia
- Zwickel: die Kirchenväter, im Uhrzeigersinn: Ambrosius von Mailand (mit Bienenkorb), Augustinus von Hippo (mit flammendem Herz), Hieronymus (mit Löwe), Greogor der Große (mit Heiligem Geist)
- 2. Langhauskuppel:
- Mittelspiegel: Maria Immaculata, verehrt durch die Vertreter der vier Stände
- Zwickel: die vier Evangelisten, im Uhrzeigersinn: Markus (mit Löwe), Lukas (mit Stier), Matthäus (mit Engel), Johannes (mit Adler)
- Chorkuppel:
- Mittelspiegel: Glorie des heiligen Nikolaus mit den christlichen Tugenden (Fides, Caritas, Spes)
- Zwickel: die Kardinaltugenden, im Uhrzeigersinn: Temperantia, Fortitudo, Justitia, Sapientia
Im Jahr 1898 wurde das Kircheninnere durch den Historienmaler Albrecht von Felsenburg umgestaltet. Erst während der Renovierungsarbeiten der Jahre 1978 bis 1988 wurde der spätbarocke Zustand wiederhergestellt.
Matthäus Günther war etwa 74 Jahre alt, als er den Auftrag in Grins übernahm. Er hat das Sujet der Erdteile immer wieder verwendet, allein sechsmal in Freskenausstattungen. Für Grins übernahm er nahezu vollständig die Komposition des Freskos in der Chorkuppel der Stiftskirche von Neustift, das er 1736 gemalt hatte. Der bewegte Überschwang des Neustifter Freskos weicht in Grins allerdings größerer Statik und Strenge.
Zuletzt aktualisiert am: 20.03.2016