Mussenhausen (Unterallgäu), Unsere Liebe Frau vom Berg Karmel Zitieren
Die vier Erdteile umgeben in vier Einzelkartuschen das Hauptbild mit der Darstellung des Tempelgangs Mariens. In der Gestaltung der Erdteile greift Enderle auf bewährte Typen zurück:
- Europa – Ein Europäer wird durch die herrscherliche Gestalt einer Fürstin repräsentiert, prächtig und kostbar gekleidet und mit den Zeichen ihrer allumfassenden weltlichen sowie geistlichen Macht ausgestattet.
- Asien – Ein Asiate erscheint im orientalischen Habit eines Muslims. Wie einer der Könige aus dem Morgenland bringt er Weihrauch. Ein Kamel ist sein treuer Begleiter.
- Afrika – Ein Afrikaner besticht durch das „exotische“ Aussehen eines Schwarzen und das Tragen einer Elefantenexuvie, ein Relikt aus der Antike.
- Amerika – Ein Amerikaner tritt durch die nackte Gestalt eines Indianers, von rötlicher Hautfarbe und wild vom Geist, dem europäischen Betrachter entgegen.
Die Kombination der beiden ikonografischen Themen ist einzigartig innerhalb des erfassten Bestandes. Im 18. Jahrhundert ist das Motiv des Tempelgangs Mariens bzw. Maria im Ährenkleid nach Gertrud Schiller zu den Einzeltypen der Maria Immaculata zu zählen. Die Übergabe der jungen Maria an die Priester als Tempeljungfrau gilt als ein Sinnbild der Jungfräulichkeit, ihrer Prädestination zur Gottesgebärerin sowie ihrer vollkommenen Hingabe zum Gebet und zu Gott. Mit den Attributen der Immaculata beginnt sich die mittelalterliche Ikonografie der Maria im Ährenkleid des frühen 16. Jahrhunderts zu verbinden. Zur Darstellung einer webenden Tempeljungfrau auf einem Reimser Wandteppich[1] spricht Gottvater im Wortlaut der Immaculata-Gestalt Tota Pulchra. Auch in Mussenhausen unterliegt der szenischen Darstellung aus dem Marienleben der unerschütterliche Glaube an die Erbsündenlosigkeit Marias. Die Erdteile sind in Einzelkartuschen um das Hauptbild platziert.[2]
Siehe auch in der rechten Seitenleiste die Glossarbegriffe.
[1] Schiller Ikonographie 4.2/1980, 168, Abb. 557.
[2] Vgl. Schiller Ikonographie 4.2/1980, 165–169.
Von West nach Ost:
EMPORENBRÜSTUNG [von Süd nach Nord]:
- Porträts Eutenhauser Pfarrherren: Ulrich Deschler (Erbauer der steinernen Kapelle) –Inschrift: Udalricus Deschler Parochus Loci 1653.
- Grablegung Mariä – Inschrift: Sed Dormit Matth. 9.
- Porträts Eutenhauser Pfarrherren: Martin Baur (Erbauer des Langhauses) – Inschrift: Martinus Baur Parochus Loci 1663.
- Porträts Eutenhauser Pfarrherren: Johann Michael Mayr (Initiator der Barockisierung) – Inschrift: Mariae Servus 1742
- Porträts Eutenhauser Pfarrherren: Simon Petrus Reßle (Erbauer des Priesterhauses) – Inschrift: Simon Petrus Resle Parochus Loci 1693.
- Tod Mariens – Inschrift: Non Est Mortua Matth. 9.
- Porträts Eutenhauser Pfarrherren: Johann Jakop Schropp – Inschrift: Ioh. Iacob Schropp Parochus Loci 1661
LANGHAUS [1763]
- nördliche Seitenbilder und Stuckelemente:
- Stuck: Putto mit Veilchen und Inschriftenkartusche: Demut – Dives in humilitate. Jacob. 1.
- Kasimir von Polen – Inschrift: S. Casimirus Reg. Prin. Polon. - Mariae Servus
- Stuck: Putto mit Früchte und Inschriftenkartusche: Güte - Omnium bonorum Mater. Sap: cc.
- Kaiser Heinrich II. – Inschrift: S. Henricus Rom. Im. - Mariae Servus
- Stuck: Putto mit geschlossener Tulpe und Inschriftenkartusche: Hoffnung - Spes Orbis. Sap: 14
- Ferdinand von Spanien - Inschrift: S. Ferdinandus Rex Hisp. - Mariae Servus
- Stuck: Putto mit Ölzweig und Inschriftenkartusche: Friedfertigkeit - Pax nostra. Ephs: 2
- Mittelbild:
- westlich:
- Ezechiel – Inschrift: S. Ezechias Rex - Mariae Secretarius
- Stuck: Putto mit Eichenlaub und Inschriftenkartusche: Standhaftigkeit - Maria Stabat Joan: 20
- Kg. David – Inschrift: S. David Rex - Mariae Cancellarius
- Stuck: Putto mit Dornen und Inschriftenkartusche: Leidensbereitschaft - Patientia Sanctorum. Apoc: 13.
- Hl. Joshua – Inschrift: S. Iosias Rex - Mariae Registrator
- Mitte: Himmelfahrt Mariä
- östlich: Heilige Drei Könige
- Melchior – Inschrift: S. Melchior Rex - Mariae Cursor
- Stuck: Putto mit Lilie und Inschriftenkartusche: Reinheit - Dux Virginitatis. Jerm: 3.
- Emblem: Tag – Inschrift: amicta sole. apoc: 12
- Kaspar – Inschrift: S. Casparus Rex - Mariae Thesaurarius. & umgeben von vier Putti mit Spruchband: eCCe / gLorIa / DeIparae / In MVssenhaVsen [= 1763]
- Emblem: Nacht – Inschrift: Luna sub pedibus eius. apoc: 12
- Stuck: Putto mit Anemone und Inschriftenkartusche: Schönheit - Tota pulchra Cant: 4.
- Balthasar – Inschrift: S. Balthasar Rex - Mariae Camerarius
- westlich:
- südliche Seitenbilder:
- Stuck: Putto mit Sonnenblume und Inschriftenkartusche: Hinwendng zu Gott - Obedivit ancilla tua. 1. Reg: 20.
- Stephan von Ungarn – Inschrift: S. Stephanus Rex. Hung. - Mariae Servus
- Stuck: Putto mit Feige und Inschriftenkartusche: Süßigkeit - Nihil dulcius. Eccl. 23.
- Leopold von Österreich – Inschrift: S. Leopoldus Arch. Dux. Aust. - Mariae Servus
- Stuck: Putto mit Rose und Inschriftenkartusche: Schönheit - Perfecta Charitas. 1. Joan: 4.
- Ludwig von Frankreich – Inschrift: S. Ludovicus Rex Galliae. - Mariae Servus
- Stuck: Putto mit Palmenzweig Inschriftenkartusche: Stärke - Mea est Fortitudo. Psal: 10.
- Wand: fünf kluge Jungfrauen
CHOR [1756]:
- nördliche Seitenbilder:
- Winter
- Afrika
- Emblem: Nachtgebet – Polarstern über Altar mit Kelch und Lamm
- Europa
- Frühling
- Emblem: Abendgebet – erloschene Kerze auf einem Altar, im Hintergrund untergehende Sonne
- Mittelbild:
- Tempelgang Mariens
- Inschriftenkartusche eCCe obLatIo MVnDa [= 1756] sub parocho Mayr eCCe IesVs peCCatorVM dItotor [= 1422?]
- Inschriftenkartusche: Clipeus sperantibus in se. Prov. 30,5
- südliche Seitenbilder:
- Herbst
- Amerika
- Emblem: Morgengebet – Rosenkranz auf einem Altar, Hintergrund aufgehende Sonne
- Asien
- Sommer
- Emblem: Mittagsgebet – flammendes Herz auf einem Altar, darüber Marienmonogramm
Auszug aus der Dissertation von Marion Romberg „Die Welt im Dienst der Konfessionen. Erdteilallegorien in Dorfkirchen auf dem Gebiet des Fürstbistums Augsburg im 18. Jahrhundert“ (282):
In seinen anderen Erdteilkompositionen setzt Johann Baptist Enderle immer wieder auf bewährte Typen und kombiniert sie in unterschiedlicher Weise. Er zieht bevorzugt die Stichvorlage von Gottfried Bernhard Göz[1] heran, die er in Gänze oder zu Teilen (Sontheim, Wettenhausen, Hochheim am Main, Lauingen) übernimmt, und tauscht dessen Afrika durch den Kirchdorfer Typus mit Elefantenexuvie und Perlenschmuck aus (Mussenhausen[2], Sontheim, Buggenhofen). Dieser Typus, den er wohl über Johann Georg Wolckers Œuvre kennengelernt hat, ist auf eine Bildidee von Matthäus Günther zurückzuführen,[3] in dessen Arbeiten man diesen Afrika-Typ mit Elefantenexuvie und Perlenschmuck bereits 1734 in der Wallfahrtskirche zu Aich, 1737 in der Klosterkirche zu Rottenbuch und 1748 in der Pfarrkirche zu Altdorf findet. Das Altdorfer Programm war wohl auch Enderle bekannt. [4] Denn das Langhausfresko der Wallfahrtskirche von Buggenhofen, das Enderle 1769 malte, stellt in großen Teilen eine getreue Kopie des Langhausfreskos in Altdorf dar.
[1] Insbesondere aus dem druckgrafischen Motivvorrat von Gottfried Bernhard Göz, nicht nur bei den Erdteilallegorien, bediente sich Enderle zeitlebens. In fast jedem Werk findet sich ein Motiv, das auf eine Stichvorlage von Göz zurückgeht. Vgl. Dasser Enderle 1970, 77.
[2] Zwar liegen in der Wallfahrtskirche Unsere Liebe Frau vom Berg Karmel andere räumliche Bedingungen vor, da die Erdteile in Einzelspiegeln dargestellt sind und das Chorfresko umgeben. Nichtsdestotrotz folgen sie dem gängigen Typus Enderles.
[3] Als der eigentliche Inventor dieses Typus muss bislang Bergmüller angesehen werden, da er eine solche Personifikation bereits 1724 im Chorfresko der Klosterkirche von Ochsenhausen umgesetzt hat. Allerdings wiederholt er diese nur noch einmal, nämlich 1747 im Langhausfresko der Tiroler Pfarrkirche St. Veit in Fulpmes. In seinem druckgrafischen Erdteil-Œuvre findet dieser Typ keinen Niederschlag. Matthäus Günthers Beitrag zur Verbreitung des Figurentypus ist weitaus höher zu bewerten, da die Afrika seit ihrer erstmaligen Verwendung 1734 in Aich zu seinen Standardtypen gehörte und man sie in vier seiner sieben Erdteilfresken (Aich 1734, Rottenbuch 1742, Fiecht 1743, Altdorf 1748) findet. Ob dieser Typ auf eine eigene inventio zurückgeht, ist schwer festzustellen. Günther könnte ihn auch in Augsburg, wo er bekanntlich seit 1731 wohnte, bei Bergmüller gesehen haben
[4] Karl Ludwig Dasser vermutet, dass Enderle entweder das Programm selbst gesehen hat, als er 20 Kilometer nördlich die Pfarrkirche in Ketterschwang ausgemalt hatte, oder ihm ein Stich als Vorlage gedient haben mag. Während vom Altdorfer Chorfresko sowohl ein Stich im Würzburger Kupferstichkabinett als auch ein Entwurf in der Staatlichen Sammlung Aschaffenburg erhalten sind , sind vom Langhausfresko keine Aufzeichnungen erhalten. Ein Verlust ist im Bereich des Möglichen, allerdings erscheint mir aufgrund des Detailreichtums des Vorbildes und des hohen Übereinstimmungsgrades eine persönliche Kenntnis des ausgeführten Werkes in Altdorf wahrscheinlicher.
Komplettes Verzeichnis der in der Dissertation verwendeten Literatur findet sich in der Datenbank unter Bibliografie > Dissertation.
Zuletzt aktualisiert am: 24.02.2016