Kirchhaslach (Unterallgäu), Unserer Lieben Frau [Fresken] Zitieren
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Maria mit Kind sitzt auf dem Sockel eines Brunnen. Aus Muschelschalen schüttet sie und das Kind Wasser in Schalen, die von den Vertretern der vier Erdteile emporgestreckt werden. Die Personifikationen flankieren paarweise den Brunnen: links Europa und Amerika; rechts Asien und Afrika. Anhand ihres Habits und ihrer Attribute sind sie eindeutig zu erkennen:
- Europa – Brokatmantel, Krone, helles Inkarnat
- Asien – Hermelinmantel, Turban, Spitzbart
- Afrika – braune Hautfarbe, entblößter Oberkörper, ein Elefantenstoßzahn
- Amerika – braunes Inkarnat, Federkrone
Weitere Informationen zur Tradition der Fons-Gratiae Darstellung siehe rechte Seitenleiste den Glossarbegriff „Die gnadenreiche Maria“.
Von West nach Ost:
ORGELEMPORE
- Brüstung
- oben:
- Jakobsleiter – Spruchband: SCALA COELI
- zwei Engel mit Spruchbändern: ALLELUJA! ALLELUJA! | ALLELUJA! ALLELUJA!
- Verherrlichung Mariens mit Kind durch Angehörige der Marienbruderschaft – Spruchband: GLORIABUNTUR IN TE OMNES.
- unten:
- Blumenvase auf Podest – Spruchband: ODOR OMNIS IN UNO.
- Milchstraße am Himmelsfirmanent – Spruchband: NON SUNT OBNOXIA LABI.
- Ansicht einer Stadt – Spruchband: BETHLEHEM
- Maria lotst Schiffe sicher in den Hafen – Spruchband: ERRANTES COLLUSTRAT.
- Maria speist die Hungernden – Spruchband: DE LONGE PORTANS PANEM.
- Schutzmantelmadonna (Schiff) – Spruchband: SALVOS FACIS SPERANTES IN TE.
- Maria als Retterin von Gestrandeten – Spruchband: SENTIANT OMNIS TUUM IUVAMEN.
- Ansicht einer Stadt – Spruchband: NAZARETH
- Lorbeerbaum inmitten von Blitzen und geborsteten Bäumen – Spruchband: INTACTA TRIUMPHAT.
- Palme in Landschaft – Spruchband: PRETIUM COGNOVIMUS USU.
- oben:
- Decke:
- oben:
- Maria tauscht ihr Herz mit einem knienden Mann aus – Spruchband: PRAEBE MIHI COR TUUM
- Maria schießt auf das Herz einer knienden Frau – Spruchband: VULNERASTI COR MEUM
- unten: Tod des Abimelech durch einen Mühlstein während einer Belagerung – Spruchband: IPSA CONTERET CAPUT TUUM — umgeben von vier Emblemen:
- Krone und Lorbeerkranz – Spruchband: ARMA NOBILITATIS
- Szepter von Rosen umwunden – Spruchband: LEX CLEMENTIAE
- Sonnenuhr auf einem Tisch – Spruchband: SINE TE NUNQUAM
- Herz mit offenem Eingang – Spruchband: SEMPTER PATET
- oben:
LANGHAUS
- nördliches Seitenschiff:
- Maria mit Sternenkranz leitet die Mondgöttin – Spruchband: PULCHRIOR LUNA.
- Maria und Christus nähren die Welt mit Milch und Blut -– Spruchband: SUA ALIENAQ[UE] PIGNORA NUTRIT [rekonstruiert]
- Maria im Rosenhag – Spruchband: QUASI PLANTATIO ROSAE
- Kreuzigung Christi – Spruchband: MATER PULCHRAE DILECTIONIS [rekonstruiert]
- Mittelschiff:
- nördliche Stichkappen:
- Putti versuchen einen brennenden Felsen zu löschen – Spruchband: ADVERSIS CLARIUS ARDET.
- Waage, auf der einen Seite Kriegsgeräte und auf der anderen, tieferen Seite Rosenkränze – Spruchband: QUID ARMA POSSENT?
- Adler zerbricht eine Mondsichel – Spruchband: SIC FORTIA CONTERUNTUR.
- Obstbaum mit Marienmonogramm – Spruchband: FRUCTUS TUUS DULCIS.
- nördliche Seitenbilder:
- Hand droht einer Hydra mit einer Keule – Spruchband: MIHI NON HAEC MONSTRA NOCEBUNT.
- Jaël tötet Sisera – Spruchband: MULIER FORTIS.
- eine Taube mit Zweig erreicht die schwimmende Arche Noah – Spruchband: NUNTIA PACIS.
- Mittelbilder:
- Turm auf Fels im Wasser – Spruchband: VIS NULLA NOCEBIT.
- Kampf um die Tugendburg unter der Flagge „MARIA“
- Maria als Schutzherrin in der Schlacht von Lepanto
- Verherrlichung Mariens als Fürbitterin vor dem zürnenden Christus durch den heiligen Dominikus
- Rose in Blumenkranz – Spruchband: INTER OMNES.
- südliche Seitenbilder:
- Pfeile prallen von einer schwarzen Scheibe an eine Mauer – Spruchband: HIC FRUSTRA IRRUIMUS.
- Judith enthauptet Holofernes – Spruchband: TU LAETITIA ISRAEL.
- Sternenbild der Jungfrau im Zodiakus – Spruchband: COELESTES TEMPERAT IRAS.
- südliche Stichkappen:
- Adler umgeben von Blitzen – Spruchband: NON IUS HABERE NOCERE
- Hand aus den Wolken mit einem Rosenkranz umwobenes Schwert – Spruchband: PVLCHRVM EST CLARESCERE VTROQ[UE]
- Sonnenfinsternis – Spruchband: CLARAMQ[UE] REDEGIT IN UMBRAS
- zwei Adler fliegen der Sonne entgegen – Spruchband: EOS AD SIDERA DUCO.
- nördliche Stichkappen:
- südliches Seitenschiff:
- Flucht nach Ägypten – Spruchband: VITAM FUGIENDO TUEMUR.
- Maria mit Kind und Josef schöpft Wasser aus einem Brunnen – Spruchband: PRAEBIT DELICIAS. [rekonstruiert]
- Maria in Begleitung von zwei Jungfrauen in einem Garten – Spruchband: GERMINABIT SICUT LILIUM.
- Maria Immaculata mit Spiegel in Begleitung von Joseph und Gottvater, der den brennenden Dornbusch löscht – Spruchband: MACULA NON EST IN TE.
CHORBOGEN
3 Bilder: Materwerkzeuge flankieren eine Sonne
CHOR
- nördliche Seitenwand:
- eine Frau aus Tekoa erfleht von König David Gnade für den Königssohn Absalom (2 Sam 14, 21) – Spruchband: PLACATUS FECI VERBUM TUUM
- Abigail bittet König David um Gnade für Nasbal (1 Sam 25, 35) – Spruchband: AUDIVI VOCEM TUAM
- Johannes der Täufer
- Weinberg und Getreidefeld – Spruchband: ESURIENTEM SATIAVIT BONIS
- Rosenkranzfest + Inschriftenkartusche: REGINA SACRATISSIMI ROSARII + Skulptur der Mondsichelmadonna + Krippenspiel Anbetung der Hirten
- nördliche Seitenbilder:
- Rose
- Laubbaum mit verschiedenen Tieren als Symbol der sieben Laster – Inschrift: IN TUA UMBRA VIVEMUS.
- Sonne über Landschaft – Spruchband: OMNIBUS OMNIA.
- Wappen
- Mittelbilder:
- das Kirchhaslacher Gnadenbild schwebt über der Kirche – Spruchband: HIC HABITABO
- Maria als Fürbitterin vor Gottvater – Spruchband: MONSTRA TE ESSE MATREM.
- Verherrlichung Mariens als Quelle der Gnade durch die vier Erdteile – Spruchband: IN STILLICIDIIS EIUS LAETABIMUR
- Marien- und Christusmonogramm
- südliche Seitenbilder:
- Lilie
- Regenbogen über Landschaft – Spruchband: SERENITATIS NUNTIAE.
- Polarstern über einem Segelschiff mit zerrissenem Segel – Spruchband: SUCCURRE CADENTI
- Wappen
- südliche Seitenwand:
- König Salomon sitzt neben seiner Mutter auf dem Thron (3 Kön 2, 20) – Spruchband: NEQUE ENIM FAS EST UT AVERTAM FAVIEM TUAM.
- König Salomon empfängt die Königin von Saba (3 Kön 10, 13) – Spruchband: DEDIT REGINAE OIA [=OMNIA] QUAE VOLUIT & PETIVIT AB EO.
- brennendes Räuchergefäß auf Tisch – Spruchband: ORATIO TUA SICUT INCENSUM
- Krippenspiel: die Anbetung der Heiligen 4 Könige [ERDTEILE]
Das umfangreiche mariologische Programm der Kirchhaslacher Wallfahrtskirche, das sich innerhalb kleinerer und größerer Deckenspiegel über die gesamte Decke der dreischiffigen Kirche entwickelt, wurde 1714 erstmals in Augsburg und dann in einer zweiten Auflage 1726 in Mindelheim unter dem Titel „Gnaden-Gebäu…zu Kirchhaßlach…“ in Text und Bild veröffentlicht. Dieses Büchlein wurde nicht nur konzeptuell[1] als Vorlage für andere Kirchenräume herangezogen, sondern trug auch ganz wesentlich zur Verbreitung des Bildmotivs selber bei oder wie Cornelia Kemp schlussfolgerte: Seine Wirkung sei „nur mit der Popularität der Symbolograpia von J. Boeschius [Augsburg 1701 und Dillingen 1702] vergleichbar“ (121).[2]
Innerhalb des Quellencorpus beziehen sich zwei der Fons-Gratiae-Kombinationen (Bernbeuren und Kranzegg) direkt auf diese. Ein mittelbarer Nachfolger findet sich in der Friedhofskapelle zu Bayerischzell, wobei die Sockelfigur der ausschenkenden Maria durch die Schmerzensmutter ersetzt wurde und das gnadenbringende Wasser direkt aus dem Brunnen fließt.
Für weiterführende Informationen zum Motiv „Der gnadenreichenden Maria“ siehe rechte Seitenleiste der entsprechende Glossarbegriff.
[1] Wie etwa in Günzburg und Mussenhausen.
[2] Auch für andere Szenen waren sie vorbildhaft siehe zum Beispiel in Ailsingen (Schutzmantel, Jericho, etc.), Lehenbühl (Arche Noah, Schutzmantelmadonna), Günzburg (Chor), Bernbeuren (Langhaus), Mussenhausen (Chorgestühl) und für viele mehr außerhalb des erfassten EA-Bestandes. Vgl. hierzu ausführlich Kemp Emblematik 1981, 122.
Auszug aus der Dissertation von Marion Romberg „Die Welt im Dienst der Konfessionen. Erdteilallegorien in Dorfkirchen auf dem Gebiet des Fürstbistums Augsburg im 18. Jahrhundert“ (72f.):
Der Kirchenbau zu Kirchhaslach geht auf das 15. Jahrhundert zurück.[1] Während sich die Erneuerungen im 17. Jahrhundert auf die Innenraumausstattung beschränkten, war es der Umbau zu Beginn des nächsten Jahrhunderts, der der Kirche ihr heutiges Gesicht verlieh. Seit 1539 im Besitz der Familie Fugger-Babenhausen und im Stand einer Babenhausener Kuratie sowie Magnat einer blühenden Marienwallfahrt, wurde die Kirche zwischen 1707 und 1710 durch den Stuckateur Matthias Miller und den Maler Johann Friedrich Sichelbein ausgestattet. Das Innere ist noch ganz Kind seiner Zeit: Der plastische Stuck beherrscht die innerräumliche Gestaltung; der Wand- und Deckenmalerei, die sich über kleinere und mittelgroße Spiegel verteilt, ist noch eine untergeordnete Bedeutung beigemessen. […] In Kirchhaslach steht das Ausstattungsprogramm unter einer übergeordneten Gesamtbotschaft, die Maria als Schirmherrin und Fürbitterin der Sünder ins Glaubenszentrum stellt; ein Programm, dessen „Ehren-Gemähl und Sinnbilder, mit welchen unser nach Gott Dir [Gottesmutter] gewidmete Kirch ausgezieret ist“[2], in 67 Kupferstichen 1714 in dem Wallfahrtsbuch Gnaden-Gebäu Der Ubergebenedyten Mutter GOTTES | Und Allzeit Jungfrauen MARIA | Wie dermahlen zu Kirchhaßlach Mit allerhand Lob- und Ehren-Gemaehlen Vorgestellt wird… erklärt und verbreitet wurde und viele Nachfolger fand.
Themenwahl wie auch Finanzierung hängen eng mit der seit dem 15. Jahrhundert blühenden Wallfahrt zum Gnadenbild, einer thronenden Muttergottes, sowie mit der 1627 gegründeten Rosenkranzbruderschaft zusammen. Auf die Bedeutung der Bruderschaft, deren seit dem 7. Oktober 1572 begangenes Fest mit dem erbetenden Beistand der Gottesmutter für den Sieg der Katholischen Liga über die Osmanen bei Lepanto 1571 zusammenhängt, [3] verweist die inhaltliche Betonung des Rollenbildes Mariens als Schlachtenhelferin, dem „christlichen Kriegsvolk beystehend“[4], im Bildprogramm des Langhauses: In drei aufeinanderfolgenden Spiegeln, im Westen beginnend, findet sich Maria im Kampf um die Tugendburg, als Kämpferin in der Seeschlacht von Lepanto und schließlich als Fürbitterin für den heiligen Dominikus vor dem zürnenden Christus, der am Himmel mit den drei Pestpfeilen dargestellt ist. Dieses vor dem Chorbogen angebrachte Fresko leitet zum gnadenreichenden Tenor des Chorprogramms über: Verherrlichung des Gnadenbildes, Maria als Fürbitterin vor Gottvater und schließlich über dem Hochaltar Verherrlichung der gnaden- und lebensspendenden Muttergottes durch die vier Erdteile. Die räumliche und inhaltliche Zweiteilung beziehungweise der sukzessive Aufbau[5] entspricht auch den [innerhalb der Erdteilforschung] zugrundegelegten zwei Ausstattungskontexten, in denen die Erdteilikonografie innerhalb religiöser Anbringungsorte eingesetzt wird: Dem Moment nach der Missionierung (Langhaus) folgt der Moment der Huldigung (Chor).
[1] Sowohl der erste steinerne Kirchenbau als auch der Beginn der Wallfahrt werden mit Albrecht von Hohenrechberg, der die Herrschaft Babenhausen 1378 erworben hatte, und seinem Sohn Veit, der die Herrschaft 1386 übernommen hatte, in Verbindung gesetzt. Vgl. Dorn Wallfahrt Kirchhaslach 1970, 140–142.
[2] Kirchhaslach Gnaden-Gebäu 1714, Vorwort „zur Schrifft“. Die editio princeps wurde in Augsburg verlegt; in einer zweiten Auflage ist das Buch 1726 in Mindelheim erschienen.
[3] Vgl. Vocelka/Heller Lebenswelt 1997, 21.
[4] Aus dem Predigttext von Joseph Fischer 1758 (18): „Die Gekrönte, und dargegen crönende Himmelskö. Maria. Das ist: Ehr=Trost=Lob= und Jubel=Predig. Als das erste hocherfreuliche Saeculum, oder hundert jährige Dank= und Jubel=Fest von Einsetzung der löbl. Ertz=Bruderschafft des allerheiligsten Rosenkrantzes in dem Löbl. Pfarr= Gotteshauß des heil Geists zu Apfeldorff Anno 1758 hochfeyerlich begangen worden“
[5] Hier widerspreche ich Mechthild Müller, die in ihrer Dissertation von 1991 dem gesamten Bildprogramm (und hier insbesondere den Erdteilen) einen rein missionarischen Anspruch unterlegt. Vgl. Müller In hoc vince 1991, 74f.
Komplettes Verzeichnis der in der Dissertation verwendeten Literatur findet sich in der Datenbank unter Bibliografie > Dissertation.
Zuletzt aktualisiert am: 03.10.2018