Neuler (Ostalbkreis), St. Benedikt Zitieren
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Zentral im Bild sitzt der Ordensvater der heilige Benedikt von Nursia in einem goldenen Prunkwagen. Gezogen wird der Wagen von vier Tieren, die wiederum von ihren jeweiligen „Eigentümerinnen“ geleitet wird. Es handelt sich hierbei um die vier Erdteile und ihre Tierattribute.
Voran schreitet die blonde Vertreterin Europa mit ihrem Schimmel. Sie ist in einem blauen Gewand mit einem kostbaren Brustgürtel und einem purpurfarbigen Umhang gekleidet. In ihrer rechten Hand hält sie ein Szepter. Ihr Kopf ist schräg nach rechts zu ihrem Pferd gewendet.
An Europas Seite geleitet Asia ein Kamel, von dem lediglich der Kopf, der Halsansatz sowie die Vorderhufe zu sehen sind. Sein netzartiges Geschirr harmoniert mit den netzartigen Sandalen der Asia. Diese ist fantastisch in goldene, blaue, rote Gewänder gehüllt, deren Borten mit Perlen und Edelsteinen besetzt sind. Ihr Haar wird von einer flachen roten Haube und einem filigran gearbeiteten Reif verdeckt. Letzterer verzweigt sich nach oben und unten wie eine Lebensader: Nach unten fallen ihr Perlen auf die Stirn und nach oben stehen Goldblätter.
Europa und Asia werden von den dunkelhäutigen Repräsentanten Afrika und Amerika flankiert. Links folgt Afrika ihrem großen Begleiter – ein Elefant. Dieser schreitet munter neben Europa einher. Eine kostbar bestickte rote Decke schmückt den mächtigen Rumpf und Kopf des Elefanten. Eine Quaste hängt ihm zwischen den Augen. Afrika hat ein schulterfreies Kleid mit Gold besetzter Borte an, Perlen leuchten im schwarzen Haar, am braunem Hals, an den Ohren und Armgelenken. Das Bild einer edlen Wilden rundet ein Goldreif mit einer weiß-blauen-roten Feder im Haar und ein Bogen mit Pfeilen in den Händen ab.
Auf der gegenüberliegenden rechten Bildseite bändigt Amerika ihr Tier, einen Gepard. Dieser geht tänzelnd vor ihr her und hat spielerisch mit der Leine im Maul seinen Kopf nach hinten geworfen. Das Inkarnat Amerikas ist von einem helleren Braun als das Afrikas. Von ihrer Kleidung ist nichts zu sehen. Die zweireihige Perlenkette und ein Brustband aus Goldplatten zieren ihre entblößte Brust. Auf ihren Kopf trägt sie eine Krone bestehend aus rosa, grünen und blauen Federn. Während Afrika als einzige ihre Aufmerksamkeit auf den heiligen Benedikt gerichtet hat, ist es auch nur Amerika, die mit dem Betrachter Blickkontakt sucht.
Die Mittelszene ist eingebettet in eine breite Figurengruppe: Über ihr segnen Gottvater und Jesus Christus den Triumphzug des heiligen Benedikt. Zur rechten des Heiligen reichen zwei Engel ein offenes Buch mit der Inschrift „INSCHRIFT NOCH ENTZIFFERN“ dem Ordensvater entgegen.
Abgeschlossen wird das Bild am unteren Bildrand von einer Balustrade, an der zwei Benediktinermönche lehnen. Während der vordere nach oben zu dem Himmelsphänomen blickt, hat der hintere den Blick gesenkt.
Neuler gehört zum Huldigungstypus. Dessen erste Gruppe die Heilsbringer tritt vergleichsweise selten auf. In Neuler entspricht der Kirchenpatron dem Ordenspatron des Patronatsherrn, was im Bildprogramm zum Ausdruck kommt, welches der Ordensikonografie gleichkommt. Hierbei verherrlichen die Erdteile nicht nur – wie in Kaufering der Fall – den Heiligen als Träger des Christentums, sondern aufgrund seiner Stellung als Ordensgründer den gesamten Orden.
Von West nach Ost:
LANGHAUS
- nördliche Seitenbilder:
- die Wiedererweckung des toten Bauarbeiters bzw. Mönchs
- der Tod der Scholastika, Schwester des heiligen Benedikt
- Abbruch seines Studiums und Rückzug in die Einsamkeit von Subiaco
- Mittelbilder:
- der heilige Benedikt prophezeit dem König der Ostgoten Totila (†<522) bei dessen Besuch in Monte Cassino die Dauer seiner Herrschaft sowie den Zeitpunkt seines Todes
- Verherrlichung des heiligen Benedikt durch die vier Erdteile
- die Versuchung des heiligen Benedikt
- südliche Seitenbilder:
- ein Gewitter verhindert den Aufbruch des heiligen Benedikt vom Haus seiner Schwester Scholastika
- der Tod des heiligen Benedikt
- der Mönch Romanus lässt Brot an einem Seil zum Einsiedler Benedikt hinunter
CHOR
- nördliches Seitenbild:
- Prophet Jesaja – Spruchband: Isaias 53, 2–12
- Mittelbild:
- Krönung Mariens
- Moses – Spruchband: Jo IV, 21, 89
- südliches Seitenbild
- Prophet Jeremias – Spruchband: Jerem: 1, 7–12
Letztmalig wurde die Kirche 1985 und 1986 renoviert.[1] Davor liefert das Fresko mit der Begegnung des heiligen Benedikt und des Ostgotenkönigs Totila oberhalb der Orgelempore dem Besucher entscheidende Hinweise auf vorausgegangene Restaurierungen. Unterhalb der Signatur des Künstlers Johann Michael Zink sind zwei weitere Signaturen zu sehen. Während die obere mit der Jahreszahl 1942 noch deutlich als „Rettenmaier Hüttlingen 1942“ zu lesen ist, ist die andere nur noch schwer zu erkennen und undatiert: Rest. de C. Dehner Rottenburger. In den Kriegsjahr 1942 hat ein Maler aus dem Nachbardorf Hüttlingen das Innere der Kirche restauriert. Die zweite Signatur belegt, dass der aus Rottenburg am Neckar stammende Maler Carl Dehner (1846–1928) in Neuler die Fresken restauriert hat.[2] Diese Restaurierung fand vermutlich vor der Kirchenschiffvergrößerung 1909[3] statt. Denn der zuständige Pfarrer Karl Strigl schrieb in seinem Bericht, dass die Fresken „leider unter einem späteren Pinsel stark gelitten haben und teilweise erst später ergänzt sind.“[4] Besonders betroffen war und ist immer noch das Chorfresko, das in seiner klassizistischen Manier im Gegensatz zu der barocken Formensprache des Langhauses steht und am stärksten von den Eingriffen im 19. Jahrhundert betroffen ist.
Des Weiteren können als spätere Ergänzungen des 20. Jahrhunderts auch die zwei Geistlichen hinter der Gestalt des heiligen Benedikt im Orgelfresko gelten. Ihre markanten, portraithaften Züge lassen vermuten, dass es sich hierbei um Portraits von Neuler Pfarrer handeln könnte, die im Zuge der ersten Restaurierungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hinzugefügt worden sind.[5]
Die Komposition der Erdteilallegorien selber blieben ihrer barocken Vorlage des Kupferstichs „Triumph des Benediktinerordens in den Vier Erdteilen“ von Johann Karl von Reslfeld (1658–1735) treu, wobei auch im Stil spätere Eingriffe nicht zu leugnen sind.
[1] vgl. Sorg 1991, 202.
[2] Vgl. Müller 2012, 257.
[3] Stirgl 1911, 59f.
[4] Stirgl 1911, 60.
[5] Dabei könnte es sich um Pfarrer Josef Pfitzer von Kottspiel (1885–1966) handeln, der von 1926 bis 1943 Pfarrer in Neuler war.
Die Mittelszene „Der Triumphwagen mit dem Hl. Benedikt gezogen von den Vier Erdteilen“ entstammt dem Kupferstich „Glorie des Hl. Benedikt“ von Johann Karl von Reslfeld (1658–1735), gestochen von Leonhard Heckenauer (1655–1704). Für eine Abbildung der gesamten Komposition Reslfelds sowie weiterführender Informationen siehe Die Glorie des Hl. Benedikt – Thesenblatt von J. K. von Reslfeld und dessen Rezeption.
Die in der Forschung gängige Datierung der Ausstattung ist das Jahr 1756. Der Grundstein für den Neubau wurde im Frühjahr 1746 gelegt. [1] Der einzige Beleg, dass Zink die Ausmalung im Jahr 1756 getätigt hat, stammt von Paulus Weißenberger aus dem Jahr 1967. Dieser erwähnt, dass die Datierung Teil der Signatur ist.[2] Aber hiervon ist heute nichts mehr zu sehen. Das Fresko ist zwar mit „JMZinck pinxit.“ signiert, aber undatiert. Des Weiteren weist auch Zinks Œuvre eine Lücke zwischen der Ausmalung der Untermedlinger Pfarrkirche 1753 und der Deininger Pfarrkirche 1756 auf. Letztere ist aufgrund einer Datierung in Form eines Chronogramms am Hochaltarbild zeitlich gesichert.[3]
Dies berücksichtigend, könnte das Fresko auch vor 1756 entstanden sein.
[1] Vgl. Strigl 1911, 59.
[2] Weißenberger gibt die Signatur auch ungenau mit „J.M. Zinck 1756“ wieder, statt die ersten drei Buchstuben ligiert auszuweisen. Vgl. Weißenberger 1967, 70.
[3] Vgl. Weißenberger 1967, 70.
Zuletzt aktualisiert am: 09.07.2020