Ottobeuren (Unterallgäu), Klostergebäude, Nördliches Treppenhaus zum Kaisersaal (Spiegler) Zitieren
Als Darstellungsort für die Glorie von Gottes Liebe wurde eine Scheinkuppel à la Pozzo gewählt. In diesem illusionistischen Zentralraum, der nach oben den Blick auf das Trinitätssymbol öffnet, sind zwischen Arkaden innerhalb von vier Nischen einzelne Figuren und oberhalb der Arkadendurchgänge drei Inschriftenkartuschen platziert. Auf diesen ist die Botschaft des Dargestellten festgehalten: IN CORDIBUS – CARITAS DEI –DIFFUSA ES (= Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen, Römerbrief 5,5). Die Liebe Gottes, die wörtlich auf Hebräisch ins göttliche Dreieck eingeschrieben ist, wird nochmals durch zwei Gestalten, die unterhalb des Trinitätssymbols zu sehen sind, verkörpert: ein Engel mit einer Flamme über seinem Haupt als die göttliche Liebe (Amor Dei) und ihn begleitend ein fliegender Putto mit einer Schale voller Herzen als die Liebe zu Gott (Amor Divinus). Dieses reziproke Verhältnis findet seine irdischen Empfänger in den vier Erdteilen der Zwickelbilder, die ausgehend von Europa in einer hierarchischen Staffelung angeordnet sind:
Europa kniet mit weit ausgebreiteten Armen und himmelnden Blick auf eine grasbewachsenen Fläche. Gekleidet ist sie in ein weiß-blaues Gewand und einen goldenen Mantel. Eine Krone auf ihrem Haupt sowie die sie umgebenene Attribute (Pferd, Tempitetto, Buch, Winkelmaß, Münzen, Zepter, Malerutensilien) heben ihre Hegemonie unter den Erdteilen hervor.
Asien sitzt ebenfalls auf einer Grasfläche. Sie trägt ein goldfarbiges Gewand und einen grünen Rock. Ihre Kopfbedeckung entspricht einem Tarbusch, an dessen Front eine blaue Feder steckt. Ein Weihrauchgefäß und ein Myrrhenzweig hält sie in ihren Händen hoch. Schräg hinter ihr ruht ein Kamel.
Afrika steht aufrecht im Ausfallschritt und hat seine Hände zum Gebet gefaltet. Sein Blick ist zur göttlichen Erscheinung in der Kuppel erhoben. Seine Kleidung besteht aus einem weißen Gewand, dessen Borten reich verziert sind, einem blauen Mantel und einem weißen Turban, an dessen linker Seite eine rote Feder steckt. Seine Begleiter sind ein Löwe und ein Elefant. Ein Füllhorn voller Korallen liegt auf dem Gras zu seinen Füßen.
Amerika sitzt auf trockenem Untergrund mit entblößtem Oberkörper. Sie hat sich ein großes Tuch um Bauch, Hüfte und Oberschenkel gewickelt. Während ihre linke Hand, die einen langen Speer hält, auf ihrem linken angewinkelten Bein ruht, streckt sie mit der anderen Hand einen Papagei von sich. Genau unter diesem kommt ein Krokodil hervor.
Die göttlichen Tugenden wiederum stehen symbolisch mit den vier christlichen Tugenden: Hoffnung (Anker und Papagei), Glaube (Kreuz und Messkelch) und Liebe (Kind), Temperantia (Zaumzeug, brennende Kerze) in Verbindung, die als Nischenfiguren in der Scheinkuppelarchitektur inkludiert sind. Denn diese stellen die „gnadenhafte, dreieine Grundkräfte, die beim gerechtfertigten Menschen die lebendige Beziehung zu Gott bewirken, sie sind von Gott geschenkt und führen unmittelbar zu Gott“[1] dar.
[1] Bildwelt Ottobeuren 2/2014, 245.
1895 wurde das Treppenhaus durch das Münchner Restauratorenteam Julius Mössel und Eduard Schröder
1959 wurden die Treppen erneuert
1984 wurden umfangreiche Restaurierungsarbeiten durch Ludwig Amann (Weißenhorn) und der Firma Haugg (Buxheim) durchgeführt:
„Das Deckenbild war aufgrund fehlender Lüftungslöcher verschimmelt und schwarz verfärbt. Der Schimmel wurde mit Fungiziden behandelt, die Einstimmung erfolgte mit Kalkfarben nass in nass, die Retusche al secco. An den Metallauflagen wurden konservierende Überzüge mit Mowilith in gelöster Form vorgenommen. […] America mti Krokodil, Papagei und Palme (1895 neu gemalt, Fehlstellen)“.[1]
[1] Bericht von L. Ammann, paraphrasiert von und zitiert aus: Bildwelt Ottobeuren 2/2014, 425 u. 427
Das Programm der „Abwärtsstiege“ entstammt der Feder des Abtes Rupert II. Neß. Es steht in Verbindung zu dem Programm des südlichen Treppenhauses, das entsprechend als „Aufwärtsstiege“ genutzt wurde.[1] Beide Treppenhäuser sind mit einer reichen Stuckdekoration, Blaumalereien sowie Fresken ausgestaltet worden. Während das südliche Treppenhaus bereits 1723 durch J. C. Stauder ausgemalt wurde und das Thema „Ottobeuren unter Gottes Schutz“ darstellt, erfolgte die Ausmalung des nördlichen Treppenhauses zwei Jahre später durch F. J. Spiegler zum Thema „Glorie Gottes“.
[1] Vgl. Bildwelt Ottobeuren 2/2014, 420.
Ein Vergleich der Erdteile von J. C. Stauder im Salettl und F. J. Spiegler zeigt, dass sie in ihrer Ausführung unterschiedlichen Generationen angehören. Die Steifheit der Erdteile Stauders ist dessen konservativ-traditionellen Malweise geschuldet. Ganz anders Spiegler, der erstmalig das Thema umsetzte und sich hierbei nicht etwa Stauders Erdteilallegorien im Salettl zum Vorbild nahm, sondern die in Stuck ausgeführten Allegorien des Italieners Mola sowie auf Vorlagen wie die Iconologia von Cesare Ripa zurückgriff. Sie sind bewegt, dynamisch, raumgreifend. Seine späteren Erdteilallegorien, insbesondere die in der Vierungskuppel der Klosterkirche zu Zwiefalten von 1749, steigern sich noch in ihrer Furiosität, obwohl er stets seiner Komposition treu bleiben wird. Ein Jahr nach den Erdteilallegorien von Ottobeuern malte Spiegler im Festsaal des Bonndorfer Schlosses erneut die Erdteilallegorien und erinnerte sich wohl stärker der Amerika Darstellung Molas, da auch hier der ausgestreckte Arm mit Bogen und der mit einem Pfeil durchbohrte Kopf zu finden sind.
Franz Joseph Spiegler malt nach Abschluss der Stuckierung durch die Werkstatt von Andrea Maini 1724/1725 die Gewölbekuppel sowie die Zwickelfelder aus. Die Wand- und Blaumalereien wurden durch den Hausmaler Arbogast Thalheimer ausgeführt. In seinem Diarium resümiert Abt Rupert II. Neß am 15. November 1725 (am Tag von Spieglers Abreise):
„Nachdeme H. Spiegler 6 bis 7 Monath hier in Arbeit gewesen, und wehrend diser Zeit in fresco gemahlt, die Cupula auf der Stiegen versus septentrionem, einn Zimmer an dem Saal…Die Cupula sambt dem Zimmer hat er 300 f. angeschlagen…Die Arbeit in fresco ist schon wohl gemacht, aber zu teyr.“[1]
[1] Zitiert nach: Bildwelt Ottobeuren 2/2014, 425.
Zuletzt aktualisiert am: 24.02.2016