Günzburg (Günzburg), Frauenkirche Zitieren
- ‹
- 2 von 2
Über die Decke des Langhauses erstreckt sich ein großes Fresko, in dessen Zentrum die Heilige Dreifaltigkeit Maria die Krone des Himmels überreicht. Dieses himmlische Ereignis ist von einer Vielzahl von Heiligen umgeben. An den beiden Schmalseiten des Freskos haben sich die irdischen Vertreter der Glaubensgemeinschaft versammelt, um der Krönung der Gottesmutter beizuwohnen. Es handelt sich hierbei um die Repräsentanten der vier Erdteile. Im Osten flankieren die hellhäutigen Vertreter Europa und Asien einen Springbrunnen, im Westen Amerika (rote Hautfarbe) und Afrika (schwarzer Hautfarbe). Alle vier Personifikation kommen in Begleitung und ihnen sind typische Tierattribute zugeordnet: Pferd (Europa), Kamel (Asien), Elefant (Afrika) und Krokodil (Amerika). Während die Begleitpersonen der anderen drei Erdteile „einfache“ Vertreter der Bewohner der jeweiligen Kontinente sind, wird Europa zusätzlich von einer Personifikation des Glaubens sowie des Krieges begleitet. Ein Adler sowie der Reichsapfel unterstreichen ihre hegemoniale Stellung.
Weitere Informationen zur Bedeutung des Springbrunnen als Fons Gratiae sowie zum Motiv der Krönung Mariens siehe rechte Seitenleiste die entsprechenden Glossarbegriffe.
Von West nach Ost:
ORGELEMPORENBRÜSTUNG [v. l. n. r.]:
- Christus am Ölberg
- Geißelung Christi
- Dornenkrönung Christi
- Kreuztragung Christi
LaANGHAUS
- nördliche Seitenbilder:
- Verklärung Jesu am Berg Tabor
- Geburt Mariens
- Pfingsten
- Mittelbilder:
- Rosenkranzspende an die Heiligen Dominikus und Katharina von Siena
- Krönung Mariens, verherrlicht durch eine Gruppe von Heiligen sowie den vier Erdteilen
- Maria bittet ihren zürnenden Sohn um Gnade für den Heiligen Dominikus und Franz von Assisi
- südliche Seitenbilder:
- Auferstehung Christi
- Maria als Siegerin in allen Schlachten (Schlacht von Lepanto)
- Himmelfahrt Mariens
CHOR
- nördliches Seitenbild: der zwölfjährige Jesus im Tempel
- Mittelbilder:
- Mariae Verkündigung – Zettel: Ecce Virgo concipiet
- Mariae Heimsuchung
- Geburt Christi – Umschrift: Monstrate esse matrem – wan Du her zeigst dein Liebes-Kind ist niemand so nit gnadenfind
- südliches Seitenbild: Darbringung Christi im Tempel – Zettel: Et gloria plebis tuae
Auszug aus der Dissertation von Marion Romberg „Die Welt im Dienst der Konfessionen. Erdteilallegorien in Dorfkirchen auf dem Gebiet des Fürstbistums Augsburg im 18. Jahrhundert“ (272–274):
Als Vorlage dienten Enderle das Langhausfresko in der Wallfahrtskirche von Steinhausen, das zwischen 1727 und 1732 von den Gebrüdern Zimmermann errichtet und ausgestattet worden ist. Nicht nur die Erdteilallegorien, sondern auch andere Gestaltungselemente übernimmt Anton Enderle fast originalgetreu. In Steinhausen zeichnet Johann Baptist Zimmermann der ältere Bruder des Günzburger Architekten Dominikus Zimmermann für die Ausmalung verantwortlich.[1] Johann Baptist war seit 1720 Hofmaler am Hof des bayerischen Kurfürsten Maximilian II. Emmanuel. Zur Zeit des Günzburger Auftrags arbeitete er als Freskant und Stuckateur in München, Landshut, Ingolstadt etc.[2] und stand nicht zur Verfügung. Kenntnis von Zimmermanns Werk in Steinhausen konnte Enderle auf drei Wegen erlangt haben: Eine Möglichkeit wäre, dass Dominikus Zimmermann Enderle entsprechende Entwürfe seines Bruders als Vorlage für das Bildprogramm übergeben hat; unter Umständen hat auch Enderle die circa 73 Kilometer entfernte Wallfahrtskirche besucht. Schließlich wissen wir nur, dass er 1733 zwar in Günzburg erneut geheiratet hat, aber nicht, wo er in der Zwischenzeit gearbeitet hat. Die meines Erachtens plausibelste mögliche Antwort lautet allerdings, dass es sich bei dem vom dortigen Auftraggeber Didacus Ströbele, Reichsabt des Prämonstratenserklosters Schussenried, am 12. Oktober 1731 im Zusammenhang mit der Verköstigung des Malertrupps erwähnten „primier Mahler“ um Anton Enderle handeln könnte[3] – was wiederum auf eine Mitarbeit bei den Gebrüdern Zimmermann und folglich auf eine unmittelbare Kenntnis der Vorlage verweist. Zimmermann und sein Malertrupp, bestehend aus seinen beiden Söhnen und einem Mitarbeiter (Enderle?), freskierten 1730/31 jeweils in den Sommermonaten zunächst den Chor und im Anschluss das Langhaus von Steinhausen.[4]
[1] Am 17. Oktober 1730 schließt das Kloster mit Johann Baptist Zimmermann einen Vertrag über die Gestaltung der Schiffsfresken. Vgl. KF Steinhausen 2010, 6.
[2] Es handelt sich um: 1734/37 – München (LKR München), Amalienburg, 1735 – Wessobrunn (LKR Weilheim-Schongau), Klostergebäude (OSB) (zerst.), 1737 – München (LKR München), Palais Holnstein. 1737/38 – München (LKR München), St. Jakob (OSCl) (zerst.), 1738 – Landshut (LKR Landshut), St. Jodok, circa 1738 – Ingolstadt (LKR Ingolstadt), Zur Schmerzensmutter (OSA) (zerst.), circa 1738 – Raitenhaslach (LKR Altötting), Mariä Himmelfahrt (OCist), 1738/39 – Herrenchiemsee (LKR Rosenheim), Klostergebäude (CRSA), 1738/39 – Hohenaschau (LKR Rosenheim), Schlosskapelle, 1739 – Wasserburg (LKR Rosenheim), Kernhaus, 1741 – Dietramszell (LKR Bad Tölz-Wolfratshausen), Mariä Himmelfahrt (CRSA).
[3] „Er [Johann Baptist Zimmermann] isset mit seinem primier mahlern und Sohn diebus dominicis et feriis in refec-torio“, zitiert nach: Weißenberger Steinhausen 1941, 377. Erstmals identifiziert Michel Reistle den ersten Malergehilfen als Anton Enderle, vgl. Reistle Wannenmacher 1990, 467.
[4] Vgl. KF Steinhausen 2010, 6 und 11.
Komplettes Verzeichnis der in der Dissertation verwendeten Literatur findet sich in der Datenbank unter Bibliografie > Dissertation.
Auszug aus der Dissertation von Marion Romberg „Die Welt im Dienst der Konfessionen. Erdteilallegorien in Dorfkirchen auf dem Gebiet des Fürstbistums Augsburg im 18. Jahrhundert“ (272–274):
Anton Enderle ist als Freskant erstmals zwischen 1739 und 1741 im Zuge des Wiederaufbaus und der Auszierung der Günzburger Frauenkirche zu fassen.[1] Die Kirche und das ansässige Franziskanerinnen-„Kloster, 2 Benefiziatenhäuser, 2 Schulhäuser und die halbe Stadtmauer“[2] waren am 8. Mai 1735 dem großen Stadtbrand zum Opfer gefallen. Daraufhin erteilte der Günzburger Rat am 4. Juni 1736 dem berühmten Baumeister Dominikus Zimmermann den Auftrag zum Neubau der Kirche.[3] Von außen schlicht mit rosafarbener Pilastergliederung gestaltet und mitten in der Altstadt platziert, schließt der Grundplan der Kirche an Zimmermanns Bauten der Wallfahrtskirchen von Steinhausen (erb. 1727–1731) und auf der Wies (erb. 1745–1754) an.[4] Als Künstler wurde im November 1739 zunächst der „kayserliche Akademikus und Mahler“ Joseph Adam Mölk für die „Ausmalung von Chor und Langhaus, Beischaffung von Farben und anderer zur Malerei nötigen Sachen“[5] zu einem Honorar in Höhe von 450 fl. verpflichtet. Allerdings kam dieser trotz des bereits abgeschlossenen Vertrages nicht zum Zug. Stattdessen wurde Anton Enderle mit dem Auftrag betraut. Die Beweggründe für diesen Malerwechsel sind unklar. Plausibel wäre, dass Enderle[6] den Auftrag entweder über seine guten Verbindungen zur Stadtobrigkeit oder über eine mögliche Bekanntschaft zum Baumeister erhalten hatte.
[1] Für diese Kirche war er bereits 1732/33 tätig gewesen, als er den Altar der Schmerzhaften Muttergottes neu gefasst hatte. Vgl. Kraft Günzburg 1993, 86.
[2] Aus der Chronik der Franziskanerinnen, zitiert nach: Schoettl Günzburg 1925, 2.
[3] Finanziert wurde der Bau aus den durch den Brand bereits knappen eigenen Mitteln, aus Spenden aus der Bürgerschaft und der Diözese, auch Kaiser Karl VI. bewilligte 1739 4.000 fl. Vgl. Schoettl Günzburg 1925, 4, 9f., 12, 14; Kraft Günzburg 1993, 92.
[4] Vgl. Koepf Dossenberger 1973, 130.
[5] Ratsprotokoll vom 12. November 1739, zitiert nach: Kraft Günzburg 1993, 92. Mölk bewarb sich auf eigene Initiative hin. Er erschien vor dem Günzburger Rat, „weil er sich in der Nachbarschaft bekanntmachen wolle“. Es wurden ihm von den 450 fl. 50 fl. sofort und weitere 18 fl. 15 kr. für eine Speisung ausbezahlt. Weitere Zahlungen sind nicht dokumentiert. Vgl. auch ausführlicher Schoettl Günzburg 1925, 14–16.
[6] In der Forschungsliteratur zu Mölk bleibt seine Günzburger Eigeninitiative unerwähnt. Folglich ist nicht festzustellen, ob der Malerwechsel nicht in einem möglichen Absprung Mölks gründet. Vgl. Paula Bayerisch-Schwaben 1998, Anm. 85.
Komplettes Verzeichnis der in der Dissertation verwendeten Literatur findet sich in der Datenbank unter Bibliografie > Dissertation.
Zuletzt aktualisiert am: 01.12.2015