Melk (PB Melk), Kloster, Gartenpavillon Zitieren
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Über dem Gebälk erhebt sich eine gemalte Attika, auf der Figurengruppen lagern, die die im 18. Jahrhundert bekannten vier Erdteile darstellen. Beim Betreten des zentralen Raumes des Gartenpavillons fällt durch ihre Platzierung gegenüber des Haupteingangs zunächst Europa auf. Sie sitzt auf einem Stier, von dem nur der blumengeschmückte Rumpf und der nach rechts gestreckte Kopf zu sehen ist. Der Blick des Stiers trifft den Betrachter. Europa, in etwas zurückgelehnter Haltung, zeigt mir dem linken ausgestreckten Arm auf die Männergruppe hinter sich. Sie trägt aufwendige, königliche Kleidung. Über ihre Schultern ist ein rosafarbener Umhang mit Bordüre aus Hermelin-Pelz drapiert, der über der linken Brust von einer goldenen rechteckigen Brosche zusammen gehalten wird. Die rechte Hälfte ihres Oberkörpers ist komplett von diesem Umhang verborgen, links fällt er von der Schulter über ihren Rücken hinunter. Darunter trägt Europa ein weißes kurzärmeliges Gewand und einen blauen Rock mit goldener Bordüre, der an der Seite mit goldenen Schnüren zusammengebunden ist. Unter der Brust befindet sich eine Art breiter Gürtel, der mit dicken weißen Perlen besetzt ist. Diese finden sich ebenfalls am Armschmuck des linken Handgelenks wieder.
Auch in der Haaren befinden sich vier Perlen, die ihre hochgesteckten Haare zusammenhalten. Auf ihrem Haupt trägt sie zudem ein Diadem, das nach oben hin spitz zuläuft. Ihre langen Ohrringe erinnern an eine Blattform. Der Blick der Europa geht nach rechts, abgewendet vom Betrachter. Ihr Kopf ist leicht nach hinten gelehnt, der Gesichtsausdruck neutral. In der rechten Hand hält Europa ein goldenes Zepter. Auf dem von einer violetten Tischdecke mit floralem Muster umhüllten Tisch rechts neben ihr liegt ein ebenfalls violettes Polster mit Goldquaste und -bordüre. Hierauf liegt eine reich verzierte Bügelkrone mit Kreuz und der Reichsapfel. Daneben liegt ein Stab, der von Lorbeerblättern umrankt ist. Rechts neben diesem Tisch steht ein Mann mit Lorbeerkranz im Haar. Er trägt die Kollane des Ordens vom Goldenen Vlies, in der Hand hält er einen Brief. Im Hintergrund sehen wir einen reich verzierten Torbogen auf dessen Spitze ein Adler umgeben von zwei Menschen thront. Durch diesen ist die hell erleuchtete Spitze eines weiteren Gebäudes zu sehen. Links und rechts von Europa befinden sich viele Gestalten, die in verschiedene Aktivitäten vertieft sind. In der linken Personengruppe befindet sich ein Geigenspieler, umgeben von Notenblättern und anderen Instrumenten, sowie ein Maler und eine Gestalt mit Kanone und Degen. Rechts von Europa befindet sich eine lesende Figur, die ein dickes Buch in der Hand hält, Männer, die um einen Globus herum sitzen und ein Bildhauer. Direkt unterhalb Europas sitzen auf der Scheinarchitektur zwei Frauen. Die linke hält eine Gießkanne in der Hand und zeigt mit einem Zirkel auf den von der anderen Figur gehaltenen Gartenplan.
Im Osten, rechts neben Europa, befindet sich in männlicher Gestalt Asien. Die Figur sitzt auf drapiertem, rosafarbenem Tuch, das von zwei darunter sitzenden nackten Männern mit Fußfesseln gehalten wird, und trägt einen weißen Turban mit goldenen Streifen und einer Feder in der Mitte. Asien ist mit einem grünen Hemd bekleidet, darüber trägt er einen blauen Umhang mit Perlenbordüre. Das Beinkleid ist grün mit goldenen Fransen, und am rechten Fuß, der darunter herausschaut, trägt er einen goldenen Schuh mit spitzer Kappe. Der rechte Fuß ruht auf einem kostbaren Teppich. In der rechten Hand hält Asien einen braunen Stab mit goldener Verzierung an beiden Enden. Die linke Hand ruht auf dem Sitz, am kleinen Finger trägt er einen goldenen Ring. Der Blick von Asien geht in die rechte Ecke.
Rechts von Asien und den beiden Gefangenen sind ein Krokodil, ein Dromedar, um dessen Kopf und Hals blaue Schnüre gebunden sind, und ein Strauß zu sehen. Auf dem Höcker des Dromedars ist ein rosafarbenes kleines Zelt angebracht. Zu Füßen Asiens sitzt eine männliche Figur, die zu diesem hinaufschaut. Daneben schmiegt sich eine ebenfalls nur mit einem Tuch bekleidete Figur an die sich zwischen ihnen befindliche Vase. Ihr Blick ist nach rechts oben gerichtet. Zu Asiens rechter Seite kniet eine dunkelhäutige Figur, die ihm ein Schriftstück mit drei Siegeln vor die Füße legt. Im Hintergrund befinden sich zwei Gestalten mit dem gleichen Turban wie Asien ihn trägt, die ebenfalls hinauf blicken. Eine von ihnen trägt einen blauen Schirm. Von rechts nähert sich eine Gruppe von chinesisch aussehenden Männern mit Geschenken. Im Hintergrund Asiens ist eine zeltähnliche Konstruktion aus weiß-rosa gestreiftem Tuch zu sehen.
Gegenüber von Europa, also über der Eingangstür im Süden, sitzt die Allegorie Afrikas. Es handelt sich um eine männliche Gestalt, die mit nacktem Oberkörper auf einem mit Teppichen geschmückten Thron sitzt. Ein grün-braun gestreifter Umhang bedeckt lediglich die linke Schulter und fällt über den Schoß vorne zu Boden. Die Figur trägt einen Rock aus weißen und beigen Federn. Das rechte Bein ragt hinter dem Umhang heraus, am Fuß trägt Afrika eine gebundene Sandale mit Federverzierung. Insgesamt trägt Afrika viel Schmuck, am Handgelenk ein Perlenarmband, am Oberarm eine Manschette und um den Hals ein Band aus Perlen und Gold. Ein dazu passendes Band trägt die Figur auf dem Kopf. Die Haare sind kurz und schwarz. In der linken Hand trägt Afrika einen Stab, der eine verzierte Spitze hat. Sein Kopf ist nach hinten gedreht, er schaut über seine rechte Schulter auf eine neben ihm stehende Personengruppe. Diese bringen Afrika Schmuck, der ihm von der dunkelhäutigen, auf dem Boden sitzenden und dem Betrachter den Rücken zuwendenden Figur auf einem goldenen Teller gereicht wird. Eine Dienerin hält einen kleinen blauen Schirm über Afrika.
Neben dieser Gruppe sind ein Tiger und ein Löwe zu sehen. In der linken Hand hält Afrika den Zügel eines sich aufbäumenden Schimmels. Dieser trägt ein verziertes Zaumzeug und eine blaugoldene Decke über den Rücken. Man sieht lediglich die Vorderbeine, den Rumpf und den Kopf des Tieres. Der zweite Zügel wird auf der rechten Seite von einer weiteren Figur gehalten, die fast vollständig durch das Pferd verdeckt ist. Der Kopf ist ebenfalls nach hinten gedreht, und der Blick scheint hinter Afrika zu gehen. Sie trägt Federschmuck auf dem Kopf, ihr linkes Bein ragt, umhüllt von goldenem Stoff, heraus. Links neben dieser Gestalt befinden sich etwas abseits zwei weitere Figuren, die Muscheln sammeln. Eine Figur mit etwas bläulicher Hautfarbe, deren Oberkörper dem Betrachter zugewandt ist, trägt ebenfalls einen gefiederten Kopfschmuck und eine Halskette. Sie hält mit beiden Händen eine Auster, in der sich eine Perle befindet, und schüttet das Wasser heraus. Die zweite Figur mit brauner Hautfarbe trägt ebenfalls einen Kopfschmuck und einen Rock aus Federn. Sie hebt mit ihrer rechten Hand Muscheln vom Boden auf, in der linken Hand hält sie ein Stück Koralle. Im Hintergrund ist ein Obelisk mit verschiedenen eingravierten Symbolen zu erkennen. Über Afrika schweben zwei Putti. Bei der Figur im Vordergrund sind am Rücken deutlich Flügel zu sehen, sie hält mit der rechten Hand einen Teller mit Obst fest, in der linken ist ein aufgeschnittener Granatapfel. Bei der Figur im Hintergrund sind keine Flügel zu sehen, sie hält in der linken Hand ein Stöckchen mit einer Ananas. Unter Afrika befinden sich wie bei den anderen Erdteilallegorien zwei Figuren, beide weiblich, in der Scheinarchitektur. Nur spärlich bekleidet hält die eine Pfeil und Bogen in den Händen, während die andere nach unten schaut.
Vor einem ähnlichen Hintergrund wie bei Asien, nur durch eine Palme ergänzt, spielt sich auch die Szene rund um Amerika im Westen ab. Die männliche Hauptfigur sitzt direkt auf der Scheinarchitektur und trägt nur einen Lendenschurz aus weißen Federn. Ein in den Farben Grün und Blau gestreiftes Tuch ist um seine rechte Schulter und sein linkes Bein gelegt. Er trägt ein Perlenhalsband sowie braune Schnürsandalen. Sein Kopf ist von einer Federkrone geschmückt. In der rechten Hand hält Amerika einen Bogen, auf dem ausgestreckten linken Arm sitzt ein Papagei. Sein Kopf ist auf seine linke Seite gedreht. Rechts neben ihm liegt, zu ihm aufblickend, eine Gestalt mit Federkopfschmuck sowie Perlenohrringen und hält ein weißes Tuch oder Papier in der Hand.
Anders als bei den anderen Erdteilen scheint sich in der afrikanischen Szene aber nicht alles um die Allegorie an sich zu drehen. Auf der linken Seite von Afrika stehen zwei turbantragende Männer mit brauner Hautfarbe, die in verschiedene Richtungen blicken. Einer davon scheint in die Ferne zu Europa zu blicken. Links vor Amerika liegt eine Person mit Federkopfschmuck und schaut zu diesem hinauf. Rechts neben Amerika steht ein Elefant mit ausgestrecktem Rüssel und einer rosa Decke über dem Rücken. Davor sitzt ein Mann mit Federrock und Federkopfschmuck, der eine Schale voller Früchte – Ananas, Weintrauben und Granatäpfeln – trägt. Seine linke Hand greift nach einem Granatapfel. Ein weiterer Mann sitzt zu dessen Füßen links daneben und greift nach einer Frucht in der Schale. Er trägt Pluderhosen und einen Turban und schaut einer weiteren Figur mit Turban beim Aufsammeln von Weintrauben zu. Unter Amerika sitzen in der Scheinarchitektur zwei männliche Figuren, die rechte schaut hinauf zu Amerika, die linke über ihren Rücken hinweg auf den eintretenden Besucher. Eine weitere Gruppe befindet sich am rechten Rand dieser Szene. Zu sehen ist ein europäisch gekleideter Mann mit Dreispitz, Schärpe und Degen, der in Begleitung eines Seemanns, im Ruderboot stehend und mit Paddel in den Händen, mit einem amerikanischen Ureinwohner Waren tauscht. Dieser hält einen Spiegel in der Hand. Der Fuß des Europäers steht auf den am Boden liegenden Warenpaketen, die von einem weiteren Ureinwohner genau betrachtet werden. Im Hintergrund ist ein europäisches Segelschiff zu sehen.
Im 18. Jahrhundert wurde in Klöstern viel Wert auf die Verfassung und Gesundheit der Mönche gelegt. Nur wenn Körper und Geist im Einklang waren, konnte man Gott gebührend dienen. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die Erbauung des Gartenpavillons im Stift Melk zu sehen. Es sollte ein Ort der Freude und der Rekreation für die Mönche sein, die fantasievollen Räume sollten zum Verweilen einladen. Daneben erfüllte das Gebäude aber auch das monastische Repräsentationsbedürfnis, wichtigen Gästen durfte die Bedeutung des Stifts nicht vorenthalten bleiben. Die Rivalität zu anderen Klöstern und Orden rechtfertigte in den Augen der Erbauer des „Lusthauses“ einen gewissen Prunk.
Der längsovale Mittelsaal, dessen Hauptachse sich in Nord-Süd-Richtung erstreckt und von einer ovalen Kuppel überdeckt ist, wurde in diesem Sinne mit reichen Fresken ausgestattet. Das Deckengemälde sollte durch seine exotischen Elemente zum Entspannen einladen und gleichzeitig den barocken paradiesischen Gartengedanken unterstreichen.1 Motivisch und in seinem Detailreichtum ist es mit Giovanni Battista Tiepolos Stiegenfresko in der Residenz der Erzbischöfe von Würzburg zu vergleichen.2 Es handelt sich um die Darstellung der gesamten Erde unter der Führung Europas im Wandel der Jahreszeiten, der Gesamteindruck vermittelt Licht, Wärme und Freude. In der Mitte des Himmelsgewölbes strahlt die Sonne auf den Betrachter herunter. Die Hauptakzente liegen aber auf den in vier Hauptachsen angeordneten bogenförmigen Nischenarchitekturen, in denen sich jeweils eine Figurengruppe befindet, die die vier im 18. Jahrhundert bekannten Erdteile sehr anschaulich darstellen.
Beim Eintreten in den Pavillon fällt der Blick sogleich auf die gegenüber sitzende Europa, die mit den Reichsinsignien ausgestattet ist. Sie ist, der antiken Tradition folgend, als tyrische Prinzessin dargestellt, die, wie die Forschung herausgearbeitet hat, womöglich Züge der österreichischen Herrscherin Maria Theresia trägt. Die Figur verweist aber auf jeden Fall auf das Heilige Römische Reich, der sich im Hintergrund befindliche Triumphbogen auf dem der Reichsadler prangt, auf den vom römisch-deutschen Kaisertum verteidigten katholischen Glauben. In der Mitte des Bogens erstrahlt ein erleuchteter Tempel. Rechts neben der Europa kann man, wenn man dieser Interpretationslinie folgt, in der weiß gekleideten und mit dem Goldenen Vlies und Lorbeerkranz ausgestatteten Gestalt den Vater Maria-Theresias, Karl VI., vermuten. Das Dokument in seiner Hand wäre demnach die Pragmatische Sanktion, die seiner Tochter die Nachfolge sicherte. Hervorzuheben ist die zu Füßen der Gestalt zu erkennende Allegorie des Krieges, die auf den Österreichischen Erbfolgekrieg hinweisen könnte, für dessen Vorgeschichte Melk eine gewisse Bedeutung hatte.3
Links und rechts von ihnen befinden sich „Vertreter der Kriegs- und Friedenskünste“4, aber auch der Wissenschaften, die ausschlaggebend für die Führungsposition des Kontinents sind. Der Vertreter der Malkunst wird verschieden gedeutet, ob es sich hierbei um ein Selbstporträt Bergls, die Verewigung seines Freundes Franz Anton Maulbertsch oder seines Lehrers Paul Troger handelt, ist nicht mehr nachvollziehbar.5 Dem Anbringungsort entsprechend heben zwei weibliche Allegorien mit Gießkanne und Gartenplan die Gartenkunst besonders hervor.
Zu Europas rechten Seite und somit einer hierarchischen Reihung folgend, sitzt ein, durch den Turban und sein Zepter zu identifizierender, osmanischer Fürst. Umgeben ist er von Dienern, Gelehrten und gefesselten Sklaven – die Szene steht ganz im Zeichen eines eigenständigen Herrschaftsanspruchs. Um dies zu betonen, überbringt ihm eine chinesische Gesandtschaft Geschenke, wobei sie vom Fürsten und seinen Höflingen ignoriert werden. Diese interessieren sich vermutlich eher für das Treiben Afrikas. Der asiatischen Szene sind zudem noch Dromedar, Krokodil und Strauß zugeordnet.
Gegenüber der Europa, im Süden, sitzt Afrika, verkörpert durch einen dunkelhäutigen, spärlich bekleideten Fürsten, der einen Schimmel am Zügel hält. Hinter der afrikanischen Figurengruppe steht ein Obelisk oder eine Pyramide mit fremdartig wirkenden Zeichen, die vielleicht Hinweis auf Hieroglyphen sein könnten, auf jeden Fall aber auf nicht-christliche Traditionen deuten.
Umrahmt wird die afrikanische Szene von exotischen Tieren, Pflanzen und Gestalten mit Perlen, Juwelen und Pferden. Die Dienerin des afrikanischen Fürsten blickt gebannt auf den Reichtum, der sich ihr und dem Betrachter eröffnet. Rechts außen sammeln – womöglich als Bindeglied zwischen Afrika und Amerika gedacht – eine dunkelhäutige Frau und ein „Indianer“ Muscheln und Korallen.
Die Amerikadarstellung steht im Zeichen der Fruchtbarkeit und Naturverbundenheit. Die zentrale Figur ist ein „indianischer“ Häuptling mit Federkrone; er sitzt hier ebenfalls emporgehoben über den anderen Figuren auf der höchsten Stelle des Rundgiebels der Scheinarchitektur. Er ist umgeben von anderen Ureinwohnern und Figuren mit Turban. Alle haben sie nackte Oberkörper, was die Gesamtthematik der Szene unterstreicht. Es handelt sich hier um die typische Darstellung des „Edlen Wilden“ der sich in Harmonie mit der Natur befindet 6 – ein Topos, der maßgeblich von Jean Jacques Rousseau und dessen Abhandlung zum Urzustand des Menschen7 geprägt ist. Weitere Inspirationsquellen waren aber sicher auch Reiseberichte und die Gobelin-Serie der Nouvelles-Indes.8 Hinter ihm steht ein Elefant, der stellvertretend für die reiche amerikanische Tierwelt steht. Auf der rechten Seite ist gerade ein Segelschiff gelandet, und ein Europäer betreibt Handel mit den Einheimischen. Der Europäer wirkt wie ein Eindringling in dieser harmonischen Welt, durch ihn wird die Zerbrechlichkeit des Naturzustandes deutlich. Seine Präsenz geht mit Besitzansprüchen einher, so setzt er demonstrativ den Fuß auf die zu Boden liegenden Warenpakete.
Obschon Bergl sich um eine naturgetreue Darstellung bemühte, scheint er nur wenig auf bildliche Vorbilder zurückgegriffen zu haben. Allerdings gibt es einige Hinweise, dass Bergl sich von der 1758 erschienene Hertel-Edition von Ripas Iconologia hat inspirieren lassen. So ist auch hier Afrika mit Pyramiden und Palmen dargestellt worden, die Haltung der Amerika ähnelt der Hertels, und auch das Tempelmotiv für Europa ist in dieser Edition zu finden.9 Dennoch scheint die Anordnung der meisten Attribute eher willkürlich, die künstlerische Freiheit steht auf jeden Fall im Vordergrund.
Über dem Tempel der Europa erheben sich mythische Götterfiguren, die die Jahreszeiten darstellen. Auf einem thronartigen goldenen Triumphwagen, direkt unter der Sonnenscheibe, sitzt Flora, Blumenranken in den Händen haltend. Unter ihr sind nacheinander aufgetürmt, Ceres mit Ährenkranz, Bacchus mit seinem Füllhorn und die Morgengöttin Aurora. Diese übergibt eine Fackel an den Nordwind Borealis, der neben ihr schwebt. Sie trennt somit symbolisch die warmen Jahreszeiten von der Dunkelheit und Kälte des Winters ab.
Über der afrikanischen Personengruppe schweben zwei Putti mit exotischen Früchten. Über ihnen liegt im Himmel, regenbogenartig, ein Band mit den Tierkreiszeichen, wobei man nur diejenigen der warmen Jahreszeiten sieht. Der Winter wird ausgelassen, eine Hierarchie der Jahreszeiten konstruiert.
In die Scheinarchitektur sind Medaillons integriert, die jeweils, ebenfalls dem Motiv der Jahreszeiten folgend, Putti darstellen, die Erde graben, Getreide schneiden, Wein keltern und Schlitten fahren. So soll dem Betrachter das Jahr mit seinem Keimen, Wachsen, Blühen, Reifen und Sterben vor Augen geführt werden.
Die architektonisch gegliederte Wandzone des Saales ist in das malerische Gesamtkonzepts Bergls miteinbezogen, wie zum Beispiel die Darstellung der fünf Sinne in den Fensterwölbungen. Zudem sind in der Mitte der Längsseiten der Wände jeweils Reliefmedaillons zu erkennen. Im Westen befindet sich der Erbauer des Gartenpavillons, Abt Thomas Pauer und die Jahreszahl der Erbauung: 1747. Der Gott Chronos soll symbolisieren, dass Abt Thomas schon tot ist. An der Ostwand ist das Porträt des Abtes Urban Hauer angebracht, der den Gartenpavillon durch Johann Bergl ausmalen ließ. Ihm ist dementsprechend die Jahreszahl 1764 beigeordnet. Dem Abt ist eine Fanfare beigefügt, die das Lob für diesen verkündet. Darunter befindet sich ein Maler, der ohne Zweifel ein Selbstporträt Bergls ist. Der dargestellte Architekt neben Bergl müsste dementsprechend Franz Munggenast sein.10
Alles in allem ist es bemerkenswert, wie wenig sakrale Elemente das Fresko enthält – seine Profanität ist für ein Stift sicherlich bemerkenswert, wenngleich es natürlich an den Ort angepasst ist. So unterstreichen das exotische Thema und die fantasievolle Ausführung die Funktion als Rückzugsort für die Mönche. Daneben eröffnen sich dem Betrachter aber noch weitere Interpretationsebenen. Das Thema der Repräsentation spielte sicherlich eine bedeutende Rolle bei der Ausstattung des Gartenpavillons. Die Darstellung Maria-Theresias in Anlehnung an die antike Tradition des Europamythos und die dazu gehörigen Konnotationen von Auserwähltheit, Glück und Fruchtbarkeit verfolgte den Zweck der Huldigung des Hauses Habsburg als den von Gott ausgewählten Herrscher. Die dritte Interpretationsebene – die kosmologische – verstärkt diesen Effekt zusätzlich. Indem Maria-Theresia in den ewigen Naturkreislauf der Jahreszeiten eingebettet wird, betont man die ewige Herrschaft der Habsburger und ihre Dazugehörigkeit zur natürlichen Ordnung. Mit dieser Ebene schließt sich der Kreis wieder hin zum Barockgarten, der in seiner Symmetrie und Ordnung den Kosmos widerspiegelt.
1Vgl. Ellegast, 2007, 374.
2Romberg 1/2008, 124.
3Zu Maria Theresia und Karl VI. vgl. Ellegast 2007, 374–380.
4Ulrike Knall-Brskovsky 1989, 261.
5Vgl. Ellegast 2007, 380.
6Vgl. Romberg 1/2008, 131.
7Jean-Jacques Rousseau, Discours sur l’origine et les fondements de l’inégalité parmi les hommes (Amsterdam 1755).
8Vgl. König 2000, 47; Ellegast 2007, 380.
9Vgl. Romberg 1/2008, 129.
10Vgl. Ellegast 2007, 380.
DECKENFRESKO
- Zentrum:
- Licht und Wärme triumphieren über Dunkelheit und Kälte: die Jahrszeiten und Aurora, vertreten durch Flora (Frühling), Ceres (Sommer), Bacchus (Herbst), Borealis (Winter)
- Putti mit Grantaapfel, Ananas und Trauben über Band der Tierkreiszeichen
- Randzone: die vier Erdteile über gemalter Attika
- Norden: Europa
- Osten: Asien
- Süden: Afrika
- Westen: Amerika
- Attikazone: Mediallons, die vier Jahreszeiten vorstellend
- NO: Winter
- SO: Herbst
- SW: Sommer
- NW: Frühling
WÄNDE
- Mitte Westwand: Porträtmedaille des Abtes Paur, getragen von Engeln, darunter Chronos. Inschrift: THOMAS AB: AEDIFICAVIT ANN: 1747.
- Mitte Ostwand: Porträtmedialle Abt Hauer, getragen von Engeln mit Posaunen, drunter sitzend Bergl (links) und Munggenast (rechts). Inschrift: URBANUS AB. EXORNAVIT ANN. 1764.
- Fensterwölbungen Nord- und Südwand: Allegorien der fünf Sinne
1812 Innenrenovierung durch Anton Müller. Dieser hat unter anderem Bergls Signatur übermalt und sich unterhalb der neuen selber mit „Reno. Anton Müller 1812“ verewigt.
1960 Restaurierung durch Prof. Dr. Franz Walliser, Rudolf Peisar und Hedwig Fuchs vor der großen Barockausstellung im Stift Melk
1998/99 durch Silvia Pflüger nach Benutzung des Gartenpavillons für die Melker Sommerspiele; unerhebliche mechanische Schäden, Verschmutzungen, Grauschleier und Verfärbungen. Es wurden Übermalungen vorgenommen, Risse ausgebessert, gereinigt und gefestigt. Zudem wurde der umlaufende Sockel im Saal rekonstruiert. 1
1Zur Restaurierungsgeschichte vgl. Ellegast 2007, 142 und König 2000, 49f.
Die 1758 erschienene Hertel-Edition von Caesare Ripas Iconologia lieferte bidliche Vorlagen.
Zuletzt aktualisiert am: 24.02.2016